Digitalisierung – Herausforderung für den Mittelstand

Unternehmen im Spannungsfeld von Adaption, Innovation und Disruption

von Andreas Fuhrich


Wer heute den folgenden Satz liest, denkt sicherlich an das Anlegen einer digitalen Patien­tenakte, an Herzschrittmacher oder vielleicht auch an Smart Devices zur Fernüberwachung: „Jeder über 50-jährige Herzinfarktpati­ent sollte digitalisiert werden.“(1) Schließlich hat das Wort „Digitalisierung“ längst Einzug in unsere Alltagssprache gehalten und allgemein verbindet man damit Errungenschaften unseres Informationszeitalters, die unsere Herzen besser schlagen lassen und Prozesse in Unternehmen effizienter gestalten. PC und Internet sind selbstverständlich, doch der technologische Fortschritt schreitet weiter voran und macht aus der Digitalisierung einen stetigen Prozess der auch Cloud-Computing, RPA, KI, Blockchain, das IoT und vieles mehr inkludiert. In einem ersten Teil beleuchtet dieser Aufsatz kurz das effizienzsteigernde Potenzial neuer Technologien. Im zweiten Teil folgen wir dem Pfad der Digitalisierung hin zur digitalen Transformation – also der Entstehung neuer Geschäftsmodelle. Einen besonderen Fokus legen wir in diesem Kontext auf die Zusammenarbeit mit Start-ups. Und zuletzt legen wir im Fazit vor allem einen Fokus auf die entstehenden Chancen, ehe wir die eigentliche Bedeutung des Eingangssatzes aufklären.


Neue Technologien als Wettbewerbsfaktor


Klar ist, die Digitalisierung ist kein Prozess, der durch die Einführung einer neuen Technologie abgeschlossen ist. Insbesondere auch, weil sich die verschiedenen Technologien längst nicht mehr isoliert betrachten lassen, sondern vielmehr im Zusammenspiel der verschiedenen Technologien neue Lösungen entstehen.


Am Beispiel des Cloud-Computings lässt sich dieses Phänomen leicht veranschaulichen. Ganz klassisch versteht man darunter das dezentrale Speichern von Daten in Rechenzentren. Die Vorteile liegen auf der Hand: Durch die Auslagerung spart man Kosten für die eigene IT – Wartung und Sicherheit gehören zum Leistungspaket der Cloud-Anbieter. Diese schützen nicht nur gegen Hacker besser als die meisten unternehmenseigenen IT-Abteilungen, sondern auch gegen physische Einwirkungen – Beschädigungen oder Diebstahl – mit Sicherheitskonzepten wie bei Fort Knox. Außerdem lässt sich durch Cloud-Computing problemlos skalieren und man zahlt immer nur für den Speicherplatz, den man tatsächlich benötigt. Dieses klassische Cloud-Computing hat sich allerdings schon lange durch Plattformen wie AWS und Azure um ein reichhaltiges Dienstleistungsangebot weiterentwickelt. Neben Speicherplatz werden Lösungen als in der Cloud ausführbare Services angeboten. Zu diesen „X as a Service“-Lösungen zählen auch KI, IoT, Blockchain uvm.

Klar ist, die Digitalisierung ist kein Prozess, der durch die Einführung einer neuen Technologie abgeschlossen ist.


„Robotic Process Automation“ (RPA) ist ein weiteres Beispiel. Grundsätzlich handelt es sich dabei um Programme, die routinemäßige Aufgaben am Computer übernehmen: Daten auslesen und übertragen, Dateien kopieren, verschieben und konvertieren etc. Schon so ist RPA in der Lage, Mitarbeiter zu entlasten und Ressourcen für kreativere, strategischere oder komplexere Aufgaben freizulegen. Im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz erfährt RPA einen enormen zusätzlichen Leistungsschub. Informatiker müssen nun nicht mehr selbst explizit für konkrete Aufgaben Programme schreiben, vielmehr erkennt die KI eigenständig mittels maschinellen Lernens wiederkehrende Aufgaben und fügt diese ihrem Leistungsprofil hinzu.


Unter dem Internet of Things versteht man über das Internet vernetzte Maschinen, die kontinuierlich untereinander Daten austauschen. KI ist hier in der Lage, die Routen von verschiedenen Maschinen optimal aufeinander abzustimmen, oder kann durch Analyse der Daten erkennen, welche Maschinen gewartet werden sollten. Durch diese Predictive Maintenance sind Servicemitarbeiter nicht länger an starre Wartungsintervalle gebunden und Fehlfunktionen sowie damit verbundene Ausfälle werden vermieden. Die Blockchain ermöglicht im Zusammenspiel mit dem IoT eine automatisierte Abwicklung und fälschungssichere Dokumentation entlang der gesamten Lieferkette. Sensoren können beispielsweise kontinuierlich die Kühlkette einer Route überwachen und die Daten entsprechend in der Blockchain protokollieren. Auch Zollabwicklungen und Übergaben können, Zahlungen eingeschlossen, voll automatisiert durchgeführt und dokumentiert werden.


„Die Digitalisierung bildet vielseitige Möglichkeiten, Geschäftsprozesse zu optimieren und so den Ressourceneinsatz zu optimieren. Ansatzpunkte sind alle betrieblichen Prozesse von der Forschung über Fertigungsprozesse bis hin zur Logistik“, lässt der BDI in seinem schon im März 2018 veröffentlichten Positionspapier „Potentiale der Digitalisierung für mehr Ressourceneffizienz nutzen“(2) verlauten.


In einer 2017 durchgeführten Unternehmensbefragung der KfW Bankengruppe konnte eine Korrelation zwischen der Größe eines Unternehmens und der Höhe des Digitalisierungsbedarfs festgestellt werden. Doch je größer ein Unternehmen, desto schwieriger gestaltet sich der Anpassungsprozess. Agilität wird hier zu einem Vorteil kleinerer Unternehmen, die deutlich weniger träge auf Umstellungen reagieren und wo Entscheidungen deutlich schneller getroffen werden können.(3)
Ein Vorteil, der jedoch nur selten zum Tragen kommt. Insbesondere kleine Unternehmen planen häufiger keine Digitalisierungsvorhaben, was mit mangelnden IT-Kompetenzen innerhalb der Unternehmen verbunden ist, worauf sowohl die KfW-Befragung als auch eine Studie von Capgemini Deutschland hinweisen.(4) Fehlendes Know-how kann zwar durch externe Berater erworben werden, doch insbesondere kleinen Unternehmen fehlen hierzu oft die finanziellen Mittel. So droht durch die Digitalisierung eine weitere Verschiebung im Wettbewerb zugunsten größerer Unternehmen.


Abhilfe könnten bestimmte staatliche Förderungen speziell für den Mittelstand liefern. Die KfW Bankengruppe definiert diesen bis zu einem maximalen Jahresumsatz von 50 Millionen Euro.(5) Natürlich kommt auch eine Finanzierung per klassischem Bankkredit infrage, aber längst nicht jeder Kreditwillige erhält auch den gewünschten Betrag, denn Banken wollen vor allem eines – Sicherheiten. Mezzanine-Finanzierung kann helfen, die Geldins­titute zu überzeugen. Ein Teil des Geldes könnte dabei über eine der vielen Crowd-Financing-Plattformen generiert werden. Hierbei können auch Privatanleger mit kleineren Beträgen in das Unternehmen investieren und durch die schiere Masse kann dennoch der gewünschte Betrag kumuliert werden.

Fehlendes Know-how kann zwar durch externe Berater erworben werden, doch insbesondere kleinen Unternehmen fehlen hierzu oft die finanziellen Mittel. So droht durch die Digitalisierung eine weitere Verschiebung im Wettbewerb zugunsten größerer Unternehmen.


Eine alternative Möglichkeit zur Bewahrung des eigenen Unternehmens besteht in der Bündelung von Kräften in Form von Kooperation oder Coopetition – der Zusammenarbeit mit eigentlichen Wettbewerbern. Insbesondere im Zusammenspiel mit Start-ups kann man dann auch von ganz neuen digitalen Geschäftsmodellen profitieren, womit sich die Digitalisierung zur digitalen Transformation mausert.


Die digitale Transformation


Im Jahr 2000, so will es die Legende, soll der Videotheken-Gigant Blockbuster die Chance gehabt haben, das 1997 gegründete Unternehmen Netflix für 50 Millionen Dollar zu kaufen. Netflix…

Lesen Sie weiter! Dieser Beitrag stammt aus dem „Handbuch HR-Management“