Böden sind unsere Lebensgrundlage

Gastbeitrag von Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel

Der Strukturwandel von einer erdölbasierten hin zu einer biobasierten Wirtschaft fordert uns, Strategien für eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen zu entwickeln.

Der Boden ist eine solche Ressource, spielt aber in der gesellschaftlichen Debatte bislang kaum eine Rolle. Völlig zu Unrecht, denn Böden sind unsere Lebensgrundlage. Wir produzieren auf ihnen über 90 Prozent unserer pflanzlichen Nahrungs- und Futtermittel sowie nachwachsende Rohstoffe für Industrie und Energiegewinnung. Böden stehen damit am Anfang vieler bioökonomischer Wertschöpfungsketten.

Darüber hinaus erfüllen Böden weitere wichtige Funktionen für Mensch und Umwelt: Sie speichern Wasser und versorgen uns durch den Abbau von Schadstoffen mit sauberem Trinkwasser. Außerdem sind Böden Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen. Dass es unter der Bodenoberfläche eine größere Artenvielfalt gibt als darüber, ist kaum bekannt. Vor allem Kleinstlebewesen wie Algen, Pilze und Bakterien wandeln tote organische Substanz in Humus und Pflanzennährstoffe um und sind somit von grundlegender Bedeutung für den globalen Stoffkreislauf und die Bodenfruchtbarkeit. Damit verbunden ist eine weitere wichtige Fähigkeit von Böden: Sie speichern Kohlenstoff und zwar, global betrachtet, dreimal mehr als die oberirdische Biomasse. Ob diese Fähigkeit zu- oder abnimmt ist eine Stellschraube für die Klimaentwicklung.

„Die stärkere Ausrichtung der Wirtschaft auf biologische Ressourcen in Rahmen der Bioökonomie lässt eine weitere Intensivierung der Bodennutzung erwarten, zumal der Bedarf an Nahrungsmitteln weiterhin zunimmt und die globale Ernährungssicherung auch in Zukunft immer an erster Stelle stehen muss!“

Bearbeitung von Ackerfläche mit Pflügen
Böden sind unsere Lebensgrundlage

Die stärkere Ausrichtung der Wirtschaft auf biologische Ressourcen in Rahmen der Bioökonomie lässt eine weitere Intensivierung der Bodennutzung erwarten, zumal der Bedarf an Nahrungsmitteln weiterhin zunimmt und die globale Ernährungssicherung auch in Zukunft immer an erster Stelle stehen muss!
In der Vergangenheit konnte die Produktivität von Böden durch die Industrialisierung der Landwirtschaft (u.a. durch den Einsatz Mineraldünger und Pflanzenschutzmitteln) erheblich gesteigert werden. Die Steigerungsraten wurden in den letzten Jahren aber immer kleiner und wir stoßen hier an harte Grenzen. Außerdem ist der Preis dafür beträchtlich: Bodenerosion, Humusabbau und Kohlenstofffreisetzung sowie Biodiversitätsverluste sind nur einige der Folgen. Weltweit sind inzwischen schätzungsweise 25 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Böden dauerhaft geschädigt (degradiert).

Gleichzeitig geht immer mehr fruchtbarer Boden durch Versiegelung verloren. Im vergangenen Jahr lag der tägliche Flächenverbrauch in Deutschland bei etwa 56 Hektar pro Tag (!) und das obwohl sich die Bundesregierung in ihren Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel gesetzt hatte, diesen Wert bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen. Der Druck auf die begrenzte Ressource Boden steigt stetig und wir müssen auf immer weniger Fläche immer mehr produzieren.

„Eine Leistungssteigerung bei gleichzeitiger nachhaltiger Nutzung ist eine enorme Herausforderung für Landwirtschaft, Bodenforschung und Ökonomie.“

Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel

Eine Leistungssteigerung bei gleichzeitiger nachhaltiger Nutzung ist eine enorme Herausforderung für Landwirtschaft, Bodenforschung und Ökonomie. Diese Entwicklung zu gestalten und neue Nutzungsstrategien zu entwickeln, ist ein Ziel der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Förderinitiative „BonaRes“ (steht für „Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie“).

Seit 2015 erforschen Wissenschaftler*innen unterschiedlichster Fachrichtungen das System Boden. Das Ziel ist, neue Strategien und Handlungsoptionen für eine nachhaltigere Landwirtschaft zu entwickeln. Grundlage dafür ist ein besseres Verständnis der komplexen Prozesse in Böden. Diese sind zu einem großen Teil biologisch, werden aber durch die physikalischen Bedingungen, die sich durch die Wetter und Klima kurz- und langfristig ändern, stark beeinflusst. Das ist eine enorme wissenschaftliche Herausforderung!

Citizen-Science-Aktion „Expedition Erdreich“

Eine weitere wichtige Aufgabe der Bodenforscher*innen in BonaRes ist, auf die Bedeutung der Böden für unsere Gesellschaft aufmerksam zu machen und Bodenbewusstsein zu schaffen. Deshalb ist das BonaRes-Zentrum für Bodenforschung zusammen mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) wissenschaftlicher Partner der Citizen-Science-Aktion „Expedition Erdreich – Mit Teebeuteln den Boden erforschen“. Die Aktion findet im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie statt.

Deutschlandweit untersuchen Bürgerinnen und Bürger aller Altersgruppen wichtige Bodeneigenschaften wie pH-Wert und Körnung mit vereinfachten Methoden an selbstgewählten Standorten. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Zersetzung organischen Materials, die mit dem sogenannten Tea-Bag-Index gemessen wird.

Auch wenn es zunächst lustig klingt, den Boden mit Teebeuteln zu untersuchen, handelt es sich hierbei um eine standardisierte, wissenschaftliche Methode die weltweit angewendet wird. Mit ihr kann die Zersetzungsrate von organischer Substanz im Boden bestimmt werden, die Rückschlüsse auf die biologische Aktivität zulässt. Da die Zersetzungsrate von vielen Faktoren abhängt, untersuchen die Citizen Scientists auch die Bodenart und den pH-Wert. In die Auswertung wird auch die Art der Bodennutzung einbezogen. Die erhobenen Daten geben Aufschluss über das Zusammenspiel zwischen biologischer Aktivität und standortspezifischen Bodeneigenschaften und können dazu beitragen, den Zustand unserer Böden flächendeckend zu erfassen.

„Eine solche Citizen-Science-Aktion zum Thema Boden ist in der Bundesrepublik bisher einmalig.“

Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel

Die Bürgerwissenschaftler*innen werden von der Probenvorbereitung, über die Durchführung der Versuche und die Dokumentation der Ergebnisse bis hin zur Datenauswertung wissenschaftlich begleitet und erhalten so einen Einblick für die wissenschaftliche Arbeitsweise. Die Teilnehmer*innen geben ihre Messdaten über die Aktionswebsite in eine Datenbank ein und erhalten ein ausführliches Feedback. Außerdem können sie ihre Ergebnisse online mit denen aller Anderen vergleichen. Mit der Aktion sollen möglichst unterschiedliche Zielgruppen für Böden begeistert werden und das Bodenbewusstsein in der Bevölkerung gestärkt werden.

Eine solche Citizen-Science-Aktion zum Thema Boden ist in der Bundesrepublik bisher einmalig. Für die Forschung ist Citizen Science eine Chance große Datenmengen in kurzer Zeit zu erheben. Wir wollen testen, inwieweit sich die bürgerwissenschaftlich erhobenen Bodendaten auswerten und z.B. für die Erstellung von Bodenfunktionskarten oder die Modellierung von Bodenverhältnissen in Deutschland weiterverwenden lassen. Im Anschluss an das Projekt werden alle wissenschaftlich verwertbaren Datensätze „open access“, also kostenfrei, für weitere Forschungsprojekte auf der ganzen Welt zur Verfügung gestellt.

Das bundesweite Interesse an der „Expedition Erdreich“ hat bisher alle Erwartungen übertroffen, weshalb aktuell keine Aktions-Kits mehr bestellt werden können. Wer sich trotzdem über die Aktion informieren möchte, findet alle Hintergründe und Details auf der Website www.expedition-erdreich.de. Unser wissenschaftliches Team ist nun mehr als gespannt auf die ersten Ergebnisse der Bürgerforscherinnen und -forscher und freut sich auf die gemeinschaftliche Zusammenarbeit von Wissenschaft und Gesellschaft.

Über Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel:

Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel, Departmentleiter Bodensystemforschung am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Der Agrarwissenschaftler leitet das Department Bodensystemforschung am UFZ-Standort in Halle und ist Inhaber der Professur für Bodenphysik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er befasst sich mit dem Wasser- und Stofftransport in Böden und mit der Modellierung von Bodenprozessen und ihren Wechselwirkungen. Zudem leitet er das BonaRes-Zentrum für Bodenforschung als Koordinationsprojekt der BMBF-Fördermaßnahme BonaRes (Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie), die bis 2024 laufen wird. Mit 10 Verbundprojekten und 50 Forschungsinstitutionen bringt BonaRes die gesamte deutsche Bodenforschung für eine nachhaltige Bodennutzung zusammen.

https://www.ufz.de/

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