„Kein Unternehmen kann überleben, wenn es sich nicht digital transformiert“

Der Digitalisierungspionier und COSMO CONSULT-Gründer Uwe Bergmann erklärt im TREND REPORT-Interview, wie neue Technologien Unternehmen in ihren Grundfesten erschüttern und warum man davor keine Angst haben sollte.

Herr Bergmann, lassen Sie uns kurz über Innovationsgeschwindigkeit reden. Das Beispiel ChatGPT zeigt uns gerade, welches Potenzial neue KI-gestützte Technologien haben und wie schnell sich viele Dinge ändern. Wie kann ein Unternehmen bei solchen Entwicklungen Schritt halten?

Zuerst mal: Keine Panik! Dass KI-Technologien einen großen Impact haben würden, ist eigentlich schon seit vielen Jahren klar. Und Innovation ist für erfolgreiche Unternehmen ja kein Fremdwort. Der deutsche Mittelstand ist Innovations-Weltmeister. Ein Unternehmen führt man am besten mit kühlem Kopf und ruhiger Hand. Soll heißen: Man sollte immer aufgeschlossen sein für neue Technologien. Aber auch nicht jedem Trend blind hinterherlaufen.

Ist ChatGPT & Co. nur ein Trend?

Es ist schon deutlich mehr als das. Momentan können wir noch gar nicht genau sagen, wie tiefgreifend die Veränderungen sein werden, die damit auf uns zukommen. Dass sich vieles ändern wird, steht außer Frage. Doch fallen diese Veränderungen ja nicht vom Himmel. Sie sind vielmehr das Ergebnis der Anwendung und Nutzung dieser Technologien. Die Frage ist also gar nicht, ob und wie man Schritt halten kann. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, fragt sich eher: Welches Angebot machen mir neue Technologien? Wie können meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wie kann mein Unternehmen damit besser werden?

Was kann man konkret tun, um das herauszufinden? Wären zum Beispiel Technologiescouts eine Lösung?

Es ist sicher nicht verkehrt, dafür eine zentrale Stelle im Unternehmen zu haben oder sich Experten ins Boot zu holen. Aber sehr leicht verfällt man dabei in die typische „Arbeitskreis“-Mentalität: Man delegiert, diskutiert, es werden viele Powerpoints gemacht. Nichts gegen Powerpoints. Aber bevor man viel Zeit und Geld in eine solche Initiative steckt, sollte man sich genau überlegen, was man eigentlich damit bezweckt. Zur besseren und schnelleren Adaption von neuen Technologien und Innovationen sollte vor allem an der Unternehmenskultur gearbeitet werden. Und damit meine ich besonders die Führungsebene in den Unternehmen.

Sie meinen, neue Technologien sind Chefsache?

Sie sind Sache des gesamten Unternehmens. Wenn wir in den letzten 20 Jahren Digitalisierung etwas gelernt haben, dann ist es die Tatsache, dass es hier um mehr geht als um die Modernisierung von Arbeitsmitteln. Digitale Lösungen sind kein Upgrade im klassischen Sinn. Mit ihnen halten neue Arbeitskonzepte Einzug in die Unternehmen. Kreativität, Agilität und Selbstverwirklichung werden dabei zu den bestimmenden Faktoren unserer Arbeit. Und das wiederum hat enorme Auswirkungen auf die gesamte Organisation und die Unternehmenskultur.

Und wie geht man am besten damit um? Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass viele mittelständische Unternehmen mit begrenzten Budgets ausgestattet sind und sich Fehltritte nicht leisten können?

Wenn man verstanden hat, dass die digitale Transformation nicht nur ein technologisches, sondern auch ein kulturelles Projekt ist, dann muss man vor einem Scheitern keine Angst haben. Angst ist sowieso ein schlechter Ratgeber. Wichtig ist das ehrliche Commitment der Geschäftsführung und die Einbeziehung der Menschen. Und ich spreche hier absichtlich von den Menschen und nicht von Arbeitskräften oder Ressourcen. Der digitale Wandel ist ein Gemeinschaftsprojekt aller Menschen im Unternehmen. Natürlich wird es nicht nur begeisterte Unterstützer geben. Widerstand gegen Veränderung ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft, und darauf sollte man vorbereitet sein. Die Technologie selbst ist heute durch die Cloud und moderne Service-Architekturen für jedes Unternehmen erschwinglich. Ob die Digitalisierung letztlich erfolgreich sein wird, ist also weniger eine Frage des Budgets. Die Frage ist, ob und wie man es schafft, die beteiligten Menschen im Unternehmen zu aktivieren oder besser noch: zu begeistern.

Und wie macht man das? Immerhin geht es um tiefgreifende Veränderungen – Hierarchien werden aufgebrochen, Altbekanntes wird über den Haufen geworfen, viele werden aus ihrer Komfortzone heraus müssen. Da wird sich die Begeisterung eher in Grenzen halten …

Man sollte aber auch die Neugier der Menschen nicht unterschätzen. Und auch nicht das Bedürfnis, sich persönlich an einer wichtigen und zukunftsweisenden Sache zu beteiligen. Klar ist, dass niemand die Zeit anhalten kann. Kein Unternehmen kann überleben, wenn es sich nicht auf die eine oder andere Weise digital transformiert. Das heißt nicht, dass sich ab sofort jeder neu erfinden muss. Es geht eher darum, sich selbst neu zu entdecken. Und es geht darum, dass die gesamte Organisationsstruktur des Unternehmens das unterstützt. Man muss sich ehrlich machen, das ist der entscheidende Punkt. Keine falschen Erwartungen schüren, nichts unter den Teppich kehren. Sicher wird der Wandel für einige auch ein schmerzhafter Prozess sein. Das ist das Wesensmerkmal aller tiefgreifenden Veränderungen. Aber wenn man es schafft, den Beteiligten plausibel zu machen, warum sich das lohnt, wird man sich wundern, wie viel kreative Energie man damit freisetzt.

Unternehmen auf ihrem digitalen Weg zu begleiten, ist ja Ihr tägliches Brot. Haben Sie das Patentrezept dafür, wie man diese kreative Energie freisetzt und den digitalen Wandel erfolgreich bewältigt?

Es wäre schön, wenn es dafür ein Patentrezept gäbe. Aber so funktioniert Digitalisierung leider nicht. Jedes Unternehmen ist einzigartig und braucht seine eigene, einzigartige Rezeptur. Es gibt sicher Dinge, die sich bei vielen Unternehmen bewährt haben. Aber wenn Sie mich nach einer Zutat fragen, die allen Rezepten gemeinsam ist, dann würde ich nochmal auf Ihre Bemerkung zurückkommen, dass sich gerade Mittelständler Fehltritte nicht leisten können. Was sich wirklich niemand leisten kann, ist, den digitalen Zug zu verpassen. Natürlich sollte man klug und vorausschauend handeln. Aber man sollte auch bereit sein, Fehler zu begehen. Mein Tipp für Unternehmen, die sich mit ihrer digitalen Zukunft beschäftigen, lautet also: Kommen Sie damit klar, nicht auf Anhieb alles richtig zu machen.

Sprechen Sie da aus Erfahrung?

Ja, und durchaus auch aus schmerzhafter Erfahrung. Wenn wir Unternehmen bei ihrem Weg in das digitale Zeitalter begleiten, dann tun wir das nicht, weil wir unfehlbar sind oder klüger als alle anderen. Wir haben die Digitalisierung am eigenen Leib erfahren, und tun dies übrigens immer noch. Wir entwickeln nicht nur die Lösungen, sondern setzen sie auch selbst ein. Deshalb verstehen wir ziemlich gut, warum Change-Management so wichtig ist. Und deshalb ist uns auch klar, welche Fehler man vermeiden sollte – denn wir haben sie selbst gemacht.


Über den Autor:
Als Uwe Bergmann vor über einem Vierteljahrhundert das Digitalisierungsunternehmen COSMO CONSULT gründete, steckten viele der Technologien, die inzwischen unser Leben bestimmen, noch in ihren Kinderschuhen. Uwe Bergmann ist einer der Pioniere dieser Technologien und sein Unternehmen gehört heute zu den weltweit renommiertesten Lösungs- und Service-Anbietern im Digitalisierungsumfeld.

Nur wird der Spielraum für Fehler ja immer kleiner. Fachkräftemangel, Energie- und Rohstoffkosten, Klimaschutz – speziell Mittelständler geraten von allen Seiten unter Druck. Ist da überhaupt noch Platz für den digitalen Wandel?

Der digitale Wandel ist nicht einfach nur ein zusätzliches Projekt oder ein weiteres Problem, das es zu lösen gilt. Er ist das, was mit allen Unternehmen passiert. So wie auch alle Unternehmen irgendwann elektrifiziert wurden. Die Frage ist nur, wie man die Transformation zum Vorteil des eigenen Unternehmens gestaltet. Ohne moderne digitale Technologien lassen sich all die Probleme, die Sie genannt haben, gar nicht mehr lösen. Aber es ist auch klar, dass die Technologien nur Werkzeuge sind. Keine KI kann Kreativität ersetzen oder hat die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Das können nur die Menschen. Digitale Technologien eröffnen fantastische neue Möglichkeiten. Aber worauf es ankommt, ist, was die Menschen in den Unternehmen daraus machen. Daher stehen bei der digitalen Transformation für uns immer die Menschen im Mittelpunkt unsers Denkens und Handelns.

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