Female Leadership in der Paymentbranche


Von Enny van de Velden, CCV Group

Führen Frauen wirklich anders?

„Female Leadership“ ist per se ein seltsamer Ausdruck. Es gibt männliche und weibliche Chefs und gute und schlechte Führung. Daraus einen Gegensatz zu konstruieren „Frau – schöne Soft Skills – gute Führung“ und „Mann – hart im Auftritt und im Nehmen – schlechte Führung“ ist ein wenig naiv. Das zumindest ist meine Erfahrung. Als ich bei CCV anfing, waren die Branche und auch das Unternehmen noch ziemlich männlich geprägt und ich wusste, wenn ich hier Chefin werden will, muss ich diese Führungsfähigkeit auch ausstrahlen. Also habe ich von Anfang signalisiert: Hier bin ich der Boss! Ist das männliches Verhalten? Nun, auch Frauen müssen sich manchmal so geben, wenn sie einen bestimmten Job wollen.

Mit meinem persönlichen Führungsstil hat das allerdings wenig zu tun. Als Person bevorzuge ich die Rolle als Coach. Ich genieße es, Mitarbeitern zu helfen ihren Platz zu finden, sich weiterzuentwickeln. Ich gebe meinen Leuten jede Menge Freiheit, ich vertraue ihnen und glaube fest daran, dass sie ihr Bestes geben. Und wenn es klemmt, können sie jederzeit zu mir kommen und Unterstützung erbitten. Ich suche immer nach einer Win-Win-Lösung für alle Beteiligen, auch im Umgang mit Partnern oder Zulieferern. Weibliches Verhalten? Nein, denn jeder gute Chef verhält sich so.

„Ich habe von beiden viel gelernt und glaube, dass ein Führungsstil, der weibliche und männliche Züge verbindet – wie von meinen Eltern praktiziert – für jede Organisation wichtig ist.“

Enny van de Velden

Gleichzeitig bin ich jemand, der viel Zeit mit strategischen Überlegungen verbringt. Meine Stärke ist es, die Dinge immer wieder aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, neue Ideen zu entwickeln und Lösungen zu finden. Männlich? Nö, denn jeder gute Unternehmer braucht eine strategische Ader.

Ich bin die Tochter von zwei starken Führungskräften, die 1958 auf dem Dachboden begonnen haben, das aufzubauen, was heute als Marktführer in der Bezahlbranche bekannt ist: die CCV Gruppe. Diese über 60 Jahre lange Erfolgsgeschichte hat mich sehr geprägt.

Meine Mutter war im Unternehmen für den Teamgeist verantwortlich und mein Vater agierte als der Stratege. Ich habe von beiden viel gelernt und glaube, dass ein Führungsstil, der weibliche und männliche Züge verbindet – wie von meinen Eltern praktiziert – für jede Organisation wichtig ist.

Gerade jetzt zu dieser Zeit einer Pandemie, mit dezentralem Arbeiten, New Work und physischer Distanz, in der wir eine Balance brauchen zwischen Effizienz, Rationalisierung und Leistungsorientierung einerseits und einer mehr emotionalen Ebene andererseits, die für ein Gefühl der Verbundenheit unter den Menschen sorgt – und für Identifikation.

Dringend gesucht: Weibliche Rollenvorbilder!

Dennoch musste ich als junge Frau erst lernen, mir selbst zu vertrauen. Es hat mich ein paar Jahre gekostet, bis ich das nötige Selbstvertrauen entwickelt hatte, um die Rolle als Chefin auch wirklich auszufüllen. Geholfen hat mir, dass ich mich nicht gefürchtet habe, um Hilfe zu bitten oder mir einen Coach zu suchen. Gleich bei meinem ersten Job hatte ich eine Mentorin und über die Jahre habe ich es geschafft, immer jemanden zu finden, der mich in meiner Entwicklung unterstützte.

Deswegen ist das Thema Chefinnen in der Technologiebranche – und spezifisch auch im von High-Tech geprägtem Payment-Sektor – so wichtig. Studien zufolge gibt es weniger als elf Prozent weibliche Führungskräfte im Silicon Valley und auch in deutschen Technologieunternehmen sind nur etwa 17 Prozent aller Positionen mit Frauen besetzt. Viele Frauen fürchten sich in dieser von Männern dominierten Welt, ihre Chancen auf eine Position auf der Führungsebene auch wirklich zu ergreifen. Wir brauchen also dringend mehr Rollenvorbilder im High-Tech-Sektor, denn hier kann die Inspiration durch andere Frauen einen großen Unterschied machen. Auch um zu zeigen, dass es darum geht, einen eigenen, authentischen Führungsstil zu entwickeln und nicht nur darum, männliche Verhaltensweisen zu imitieren.

Auch deswegen habe ich den Bep van de Velden Award gegründet, zu Ehren meiner Mutter. Sie war ein Rollenvorbild für mich – genauso wie für viele andere Geschäftsfrauen und das wollte ich auch nach ihrem Tod im Jahr 2018 mit dieser Initiative in die Zukunft tragen. Unsere Mission ist es, weibliche Unternehmer zu fördern. Wir zeichnen junge Frauen mit guten Ideen und unternehmerischen Ambitionen aus, nicht nur in der Technologiebranche. Die erfolgreichen Bewerberinnen kommen aus allen Ecken und Enden der Wirtschaft und Gesellschaft.

Diversity macht erfolgreich

Ich glaube nämlich fest daran, dass ein entscheidendes Charakteristika der Führungskräfte der Zukunft ihre Fähigkeit sein wird, Zusammenarbeit zu steuern. Die Kooperation zwischen Teams, Generationen, Geschlechtern und Kulturen. Das geht nur mit einem integrativen Ansatz – und Unternehmen, die einen solchen erfolgreich etablieren, sind nachweislich erfolgreicher als heterogene Traditionsbetriebe.

Integration bedeutet vor allem auch, die Leute wirklich ernst zu nehmen. Die einzelnen Abteilungs- oder Bereichsleiter kennen sich im Detail viel besser aus als der Boss. Die Topführungskraft kann nur dann die richtigen Entscheidungen treffen, wenn sie von ihren Teams gut beraten wird. Es ist gut, ein Vorstandsmitglied zu sein, aber wir haben nicht die Erfahrung in jedem Teilbereich, wir brauchen Input. Deswegen haben wir im Unternehmen – wo inzwischen zwei von drei Vorständen weiblich sind – ein Executive Committee eingeführt. Dort sind alle Führungskräfte und auch einzelne Fachleute vertreten und wir treffen die Entscheidungen nun gemeinsam. Formell muss der Vorstand diese Entscheidungen absegnen, aber der eigentliche Job passiert im Executive Committee.

Gleichzeitig gilt, dass die Führungskräfte dort ihrerseits stärker von ihren Teams beraten und unterstützt werden als das noch vor zehn Jahren der Fall gewesen ist. Einen kooperativen Führungsstil kann man nicht über Nacht einfach installieren, das muss wachsen und sich entwickeln. Ich bin jedoch überzeugt, dass dies der richtige Weg ist, drei oder vier Leute ganz oben in einer Hierarchie können nicht alle Details in einer Organisation kennen und schon gar nicht alle Ideen und alle Pläne alleine entwickeln.

Ist das männlich geführt oder weiblich gedacht? Ganz egal, es ist erfolgreich. Und darauf kommt es letztlich an!

https://www.ccv.eu/de/

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