KI im Weltraum
Dr. Alen Berta, Head of Advanced Analytics Knowledge Hub bei CGI AI & Smart Data Practice in Deutschland im Interview mit der TREND-REPORT-Redaktion
Herr Dr. Berta, welche Möglichkeiten haben die neuen Technologien rund um KI, um Satellitendaten effizient auszuwerten?
Heute fliegen mehr als 3.000 Satelliten über unseren Köpfen, die täglich jeden Punkt der Erde abbilden können. Einige dieser Satelliten senden einen kontinuierlichen Datenstrom, der die Erde in Auflösungen von 20 cm bis zu einigen hundert Metern abbildet. Der Mensch alleine kann diese enorme Datenmenge mit bloßem Auge nicht durchsuchen oder analysieren. Das liegt nicht nur an der schieren Datenmenge, sondern auch daran, dass unser Auge nur einen kleinen Teil des elektromagnetischen Spektrums (EM-Spektrum) sehen kann, das durch die Regenbogenfarben dargestellt wird. Große Teile des EM-Spektrums wie Nahinfrarot, kurzwelliges Infrarot oder Mikrowellen, die von Satelliten erfasst werden, werden nicht voll ausgeschöpft. Durch den Einsatz von KI können jedoch auch diese Daten ausgewertet und dadurch bessere Vorhersagen getroffen werden, die deutlich präziser und detaillierter als in der Vergangenheit sind.
Welche Anwendungsfelder und Einsatzszenarien sind in Zukunft denkbar?
Satellitendaten und entsprechende KI-gestützte Analysen können und werden von Behörden und Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen wie Versicherungen, Land-, Forst- und Energiewirtschaft oder dem Transportwesen genutzt.
Energieversorgungsunternehmen und Bahnnetzbetreiber etwa setzen die Bilddaten ein, um Bäume und Vegetationen zu erkennen, die eine Gefahr für ihre Infrastruktur darstellen. Auch für Pipelinebetreiber im Gas- und Ölsektor sind Daten aus dem All die Basis, um potenzielle Schadensquellen und kritische Veränderungen im kleinskaligen Bereich rechtzeitig zu erkennen.
Satellitenbasierte Lösungen können vor allem auch für die effiziente und nachhaltige Nutzung von Land- und Bodenressourcen eingesetzt werden. Sie liefern Informationen für die Stadt-, Verkehrs- und Grünflächenplanung, für die Landwirtschaft oder für das Forst- und Wassermanagement. Nicht zuletzt helfen satellitengestützte Daten auch bei Naturkatastrophen, um Hilfsmaßnahmen zu optimieren, etwa bei Waldbränden, Überschwemmungen, Dürren oder Erdbeben.
Welche Rolle spielt dabei das maschinelle Lernen (ML-Algorithmen)?
AI (Artificial Intelligence), ML (Machine Learning) und verwandte Algorithmen können verwendet werden, um Zeitserien zu analysieren, Muster in Datensätzen zu erkennen oder Beziehungen zwischen verschiedenen Datensätzen zu identifizieren. Dabei wird zunächst ein Algorithmus durch Trainingsdaten angelernt, um anschließend ein Modell zur Nutzung dieser Daten zu generieren.
Der Einsatz von KI und ML unterstützt zum Beispiel die Transformation von Satellitenbildern in detailgenaue und aktuelle Straßenkarten, die etwa Ersthelfer bei größeren Katastrophen wie Erdbeben benötigen. Grundlage dafür sind Machine-Learning-Algorithmen, die mit Trainingsdaten angelernt und zur Berechnung von Bild-zu-Bild-Transformationen verwendet werden. Die Trainingsdaten sollten dabei eine möglichst große Anzahl an Satellitenbildern umfassen. Durch den Einsatz der KI-Technologie können so aktuelle Veränderungen der Straßentopologie kurzfristig in Karten abgebildet werden.
„Am Einsatz von KI bei der Erdbeobachtung wird kein Weg vorbeiführen, um die benötigten Informationen kontinuierlich zu analysieren und zu extrahieren.“
Dr. Alen Berta
Welche Lösungen bieten Sie in diesem Kontext an?
CGI hat die Lösung SAT2MAP entwickelt, mit welcher Straßenkarten aus Satellitenbildern schnell und genau generiert werden können. Sie nutzt CycleGAN (Cycle consistent Generative Adversarial Network) und Pix2Pix-Algorithmen, die eine Bild-zu-Bild-Transformation mit ungepaarten oder gepaarten Trainingsdaten durchführen. Sobald das Training abgeschlossen ist, kann ein erstelltes Modell auch in Bereichen angewendet werden, die nicht beim Training verwendet wurden.
Welche Voraussetzungen benötigen Technologien rund um KI, wenn es z.B. um die Erdbeobachtung geht?
Voraussetzung für den Einsatz von KI ist die Nutzung von Lösungen mit hoher Rechenleistung, hohem Automatisierungsgrad und effizienten Datenverarbeitungsfunktionen, die aktuelle und valide Informationen zeitnah bereitstellen. Eine solche Lösung bietet CGI mit GeoData360, einer Plattform für die Bereitstellung von Erdbeobachtungs- und Geo-Services. GeoData360 ist als Plattform-as-a-Service konzipiert und bietet eine Big-Data-Verarbeitungsmöglichkeit für Services, die auf Bild- und Geo-Daten wie Klimadaten oder meteorologischen Daten basieren.
Inwieweit werden die Datenmengen in Zukunft anwachsen und umfangreicher werden?
Sicher ist, dass das Datenvolumen exponentiell ansteigen wird. Dazu muss man sich nur vergegenwärtigen, welche Datenmengen täglich gesammelt werden: Die europäische Raumfahrtbehörde und die NASA sammeln mit ihren Satelliten fast 30 Terabyte an Daten, während kommerzielle Anbieter von Satellitenbildern weitere rund 100 Terabyte hochauflösende Daten liefern. Im Zuge der technologischen Weiterentwicklung werden auch viele neue Missionen geplant. Zudem starten neue Satelliten mit bestehenden Sensoren, um die Überflugrate zu erhöhen. Auch ganze Flotten von Klein-/Nanosatelliten werden jetzt in regelmäßigen Abständen gen Himmel geschickt.
Angesichts dieser Datenmengen wird noch einmal deutlich, dass am Einsatz von KI bei der Erdbeobachtung kein Weg vorbeiführen wird, um die benötigten Informationen kontinuierlich zu analysieren und zu extrahieren.
Zur Person
Dr. Alen Berta ist Head of Advanced Analytics Knowledge Hub bei CGI AI & Smart Data Practice in Deutschland. Als Executive Consultant ist er in der CGI Space Business Unit in Darmstadt tätig und bringt dabei mehr als 10 Jahre Erfahrung in den Bereichen Remote Sensing und Earth Observation (EO) mit. Er unterstützt Kunden aus verschiedenen Sektoren bei der Nutzung von Satellitendaten und der Entwicklung von EO-Daten nachgelagerter Lösungen sowie Applikationen. Seine Kundenreferenzen reichen von der ESA über öffentliche Verwaltungen bis hin zu Unternehmen aus den Bereichen Transport, Energie und Landwirtschaft.
Inwieweit werden die Satelliten selbst schon mit KI-Technologien ausgerüstet und warum?
KI wird nicht auf Kontrollzentren oder Cloud Processing Platforms auf der Erde beschränkt bleiben, sie wird auch zunehmend am Edge, also direkt am Satelliten, zum Einsatz kommen. Mit anderen Worten: Der dezentrale IT-Ansatz des Edge Computing hält Einzug in die Satellitentechnik. Der Hauptvorteil ist, dass die Datenverarbeitung direkt an der Datenquelle erfolgt, somit müssen weniger Daten an die Erde zur Analyse übertragen werden.
Derzeit entwickelt CGI die PhiSat-2 Mission als Teil eines hochmodernen Programms der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). Bei dieser geplanten Mission handelt es sich um einen neuartigen EO-CubeSat, der in der Lage ist, KI-Apps auszuführen, die am Boden entwickelt und dann während des Flugbetriebs hochgeladen, aktualisiert oder bedient werden können. Damit halten Apps erstmals Einzug in den Weltraum. Was bedeutet das konkret? Zum Beispiel wird eine der Apps – entwickelt von CGI – in der Lage sein, die oben erwähnte automatische Straßennetzextraktion durchzuführen. Statt aber das gesamte Bild zu übertragen, wird durch den Einsatz der App lediglich die Informationen über die extrahierten Straßen gesendet. Dadurch wird das Datenvolumen drastisch reduziert.
Aufmacherbild / Quelle / Lizenz
Bild von Arek Socha auf Pixabay
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