New Work: Wie die digitale Transformation die Arbeitswelt verändert
Digitale Transformation und New Work
„Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Und alles, was vernetzt werden kann, wird auch vernetzt. Das betrifft Menschen, Maschinen und Produkte gleichermaßen.“ Dieses Zitat von T. Höttges, Vorstand Deutsche Telekom, beschreibt treffend die digitale Transformation. Die Arbeitswelt wird sukzessive in eine digitale Ebene überführt: Die analoge, lokale Offline-Welt wandelt sich zur digital vernetzten „always-on“ Welt.
New Work bezeichnet ursprünglich ein Konzept des Sozialphilosophen Frithjof Bergmann für eine Arbeit, die den Menschen und seinen Wunsch nach Erfüllung und Sinnhaftigkeit in den Mittelpunkt stellt. Aktuell ist es ein Synonym für den Wandel der Arbeit: Digitale Technologien und Geschäftsmodelle ändern Arbeitsplätze und -inhalte. Digitale Arbeitsformen führen u. a. zum Aufweichen von Hierarchien („Holacracy“), agile und iterative Arbeitsmethoden lösen lineares, plangetriebenes Vorgehen ab, Kunden werden in die Produktentwicklung integriert (Co-Creation). Statt eines festen Büros mieten z. B. Start-ups flexible Arbeitsplätze in einem offen gestalteten Büro und nutzen die Vorteile des zusammen Arbeitens (Coworking).
Veränderung von Arbeitsplätzen
Zu quantitativen Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt gibt es widersprüchliche Prognosen, die auf verschiedene methodische Ansätze sowie differierende Annahmen zurückzuführen sind. Das Substitutionsrisiko bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass die Aktivitäten eines Mitarbeiters durch Digitalisierung wie z. B. IT-Systeme oder Robotik übernommen werden. Arbeitsplätze mit hohem Substituierbarkeitsrisiko werden entfallen, Arbeitsplätze mit niedrigem Substituierbarkeitsrisiko sich verändern, neue Berufsbilder und Arbeitsplätze werden entstehen.[1] Ein eher niedriges Substitutionsrisiko weisen kreative, soziale (empathische) und wissenschaftliche Berufe sowie Professionen mit sensomotorischen Fähigkeiten wie z. B. Physiotherapeut und Arzt auf. Demgegenüber haben Arbeitsplätze mit standardisierten (Routine-)Aktivitäten mit niedriger Komplexität und geringen Qualifikationsanforderungen ein hohes Substituierbarkeitsrisiko. Beispiel: Hilfsarbeiter in der Kommissionierung, aber auch geistige Routinetätigkeiten wie z. B. Rechnungsprüfung lassen sich in vielen Fällen komplett automatisieren.
Beispiele für mittel- bis langfristig bedrohte Berufsbilder sind LKW-Fahrer, Postbote oder Kassierer im Supermarkt. Hier wird menschliche Arbeit durch autonomes Fahren, Drohnen und Self-Services substituiert. Dieser Wegfall kann jedoch ggf. durch neu entstehende Stellen kompensiert werden, z. B. durch Arbeitsplätze im Kontext digitalisierter Maschinen und Roboter, die programmiert und bedient werden müssen. Außerdem steigt der Bedarf an Datenanalysten und Softwareentwicklern.
Nicht nur bei der Arbeitsplatzanzahl gibt es optimistische und pessimistische Sichtweisen, sondern auch bei weiteren Chancen und Risiken. [2] Einerseits fördert orts- und zeitunabhängiges Arbeiten mit digitalen Werkzeugen Autonomie und Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Andererseits kann Work-Life-Blending zum Verlust des Privatlebens führen, wenn die Grenze zum Berufsleben verschwimmt. Automatisierung von 3D-Tätigkeiten (dirty, dangerous, demanding) erscheint wünschenswert, wenn sie mit Aufwertung der verbleibenden Arbeitsinhalte einhergeht. Allerdings kann Digitalisierung Autonomie reduzieren, wenn z. B. Datenbrillen beim Kommissionieren die Arbeitsschritte nicht nur vorgeben, sondern diese zur Kontrolle detailliert nachvollziehbar machen.
Stufen der Digitalisierung von Mitarbeitern
Was bedeutet die „Digitalisierung“ von Mitarbeitern? Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Mensch durch einen Roboter oder Avatar ersetzt wird. Vielmehr werden Mitarbeiter mit digitalen Kompetenzen bzw. Endgeräten wie z. B. Smart Glasses ausgestattet.
Auf welche Weise lässt sich messen, welchen Status ein Unternehmen beim Thema digitale Transformation bereits erreicht hat, und wie lässt sich festgelegen, wie es sich in Zukunft weiterentwickeln soll? Das Modell „Modell des digitalen Unternehmens“ in Abb. 1 von Appelfeller/Feldmann[3] nutzt hierzu Reifegradmodelle (vgl. Abb.2). Für zehn Elemente wie z. B. Prozesse oder Geschäftsmodell werden Bewertungsraster vorgestellt, die die Reifegradstufen von eins (analog) bis vier (volle Digitalisierung) abbilden. Dem Ist-Status wird bei der Zielformulierung für ein Element das Soll-Profil gegenübergestellt, um so Roadmaps für die Weiterentwicklung pro Element zu entwickeln.
Abb. 1: Elemente des digitalen Unternehmens (Referenzmodell) [4]
Für das Element Mitarbeiter ergeben sich aus der detaillierten Reifegradmessung die Stufen analoger Mitarbeiter (1), teildigitalisierter Mitarbeiter (2), vernetzter, volldigitalisierter Mitarbeiter (3) und vernetzter Roboter (4). Abb. 2 stellt dies für Mitarbeiter mit vorwiegend geistiger Tätigkeit vor.
Abb. 2: Stufen der Digitalisierung bei Mitarbeitern mit vorwiegend geistiger Tätigkeit[5]
Als analoger Mitarbeiter wird jemand bezeichnet, der ohne IT z. B. papierbasierte Belege abarbeitet, i. d. R. zu festen Arbeitszeiten im selben Büro. Beispiel: Mitarbeiter, der die Eingangspost öffnet, stempelt und verteilt. Der teildigitalisierte Mitarbeiter arbeitet ebenfalls überwiegend zu festen Arbeitszeiten im festen Büro. Er nutzt aber für einen Teil der Arbeitsschritte IT-Systeme. Beispiel: HR-Mitarbeiter, der eingehende Bewerbungen im IT-System erfasst, Kopien weiterleitet und mit Bewerbern per Email kommuniziert. Dieser Typus wird zunehmend durch den vernetzten, volldigitalisierten, mobilen Mitarbeiter verdrängt. Er hat weniger fest vorgegebene Strukturen, arbeitet zu flexiblen Zeiten im Unternehmen, zu Hause oder unterwegs. Er nutzt im Großraumbüro den Arbeitsplatz, der gerade frei ist. Über mobile Endgeräte wie Smartphone, Smartwatch und Tablet-PC ist er mit den IT-Systemen, anderen Mitarbeitern und externen Partnern vernetzt und permanent erreichbar. Beispiel: Überwiegend in standortübergreifenden Projekten tätiger Mitarbeiter. Auf Stufe 4 steht der vernetzte Roboter. Er übernimmt z.B. dort Tätigkeiten, wo der Kunde mit Mitarbeitern spricht und diese nach vordefinierten Logiken handeln. Beispiel: Empfang von Gästen an der Hotelrezeption.
Fazit und Ausblick
Die digitale Transformation lässt sich nicht aufhalten. Daher sollten Unternehmen sie gezielt gestalten. Dabei gilt nicht: Je digitaler, desto besser. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, um die Strategie des Unternehmens umzusetzen. Hierzu bedarf es des Aufbaus der Kompetenzen der Mitarbeiter wie z. B. Prozess- und IT-Know-how, Datenauswertung und -analyse, interdisziplinäres Denken und Handeln, insbesondere bei Innovationen.[6]
Wie „digital“ müssen Mitarbeiter werden? So digital, dass das Unternehmen konkurrenzfähig bleibt. Dabei ist zum einen die Perspektive des konkurrenzfähigen Unternehmens einzunehmen. Für dieses ist zu klären, welche Aktivitäten sich durch IT effizienter durchführen lassen und welche Kompetenzen und Endgeräte die Mitarbeiter benötigen. Zum anderen stellen sich aus der Sicht des konkurrenzfähigen Arbeitgebers im Rahmen des „war for talents“ verschiedene Fragen. Wo, wann und wie möchten Mitarbeiter ihre Arbeitsleistung erbringen? Der oben beschriebene vernetzte, mobile und volldigitalisierte Mitarbeiter lässt erkennen, was Mitarbeiter zunehmend fordern könnten.
Die Angst, dass menschliche Arbeit maschinell ersetzt werden könnte, gab es bereits bei der 1. Industriellen Revolution. Ein „Ende der Arbeit“ wird es auch diesmal voraussichtlich nicht geben. Eine zentrale Aufgabe für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter besteht darin, die Arbeitsplätzte rechtzeitig umzugestalten und Qualifikationen anzupassen.