Annette Kinne und Jan-Hendrik Brune von Detego sprachen mit der TREND-REPORT-Redaktion über Transformationsprozesse im Unternehmen.
Herr Brune, was raten Sie Unternehmen, um zukunftsfähig zu bleiben?
„Dafür müssen die Menschen vor allem verstehen, warum die bisher bewährten Vorgehensweisen plötzlich nicht mehr erfolgreich sein sollen. Für viele Unternehmen ist das eine große Chance, denn sie können die vorhandene Expertise nutzen, um neben der Optimierung bestehender Dienstleistungen und Produkte auch ihre Geschäftsmodelle weiter- oder sogar neue zu entwickeln.
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich die Unternehmen von der weit verbreiteten Methodengläubigkeit verabschieden. Gute Methoden sind prima, keine Frage, aber für sich genommen kein Erfolgsgarant. Allein dadurch, dass ich beispielsweise Scrum gelernt oder eine Guideline für New Leadership erarbeitet habe, hat sich noch nichts an meiner inneren Haltung und meinem Denken verändert. Genau da müssen wir aber hin.“
Welche Rolle spielen Unternehmenswerte bei der erfolgreichen Transformation?
„Das Thema ist zweischneidig. Einerseits haben wir alle Werte und brauchen diese auch. Seit einigen Jahren versuchen nun auch viele Unternehmen, möglichst langlebige Werte zu definieren. Doch was sind die Werte der Zukunft? Das ist genauso schwierig zu beantworten wie die Frage, was jeder einzelne unter Werten versteht.
Die Auseinandersetzung mit Werten kostet aus unserer Erfahrung gerade in Veränderungsprozessen sehr viel Zeit – oft soviel, dass der angestrebten Transformation die Luft ausgeht. Eine klare Orientierung in Form eines Purpose oder Why und neue innere Einstellung gegenüber Veränderungen sind deswegen nach unserer Überzeugung viel zielführender als langwierige Werte-Diskussionen.“
Frau Kinne, wie stoßen Sie diese Entwicklung mit den Menschen und in den Menschen an?
„Wer das Mindset von Menschen weiterentwickeln oder sogar einen Mindshift – also die grundlegende Veränderung der Denk- und Handlungsweisen – erzeugen will, der muss das Individuum ins Zentrum rücken. Im ersten Schritt geht es dann darum, das `Warum` zu klären, also warum will ich bzw. wollen wir überhaupt eine Entwicklung? Außerdem ist es wichtig, Erfahrungsräume zu schaffen, das heißt Situationen herbeizuführen, in denen ich begreifen kann, wie sich ein neues Denkmuster anfühlt und auswirkt. Denn Veränderungen finden nur über Erfahrung, Erleben und eigene Erkenntnisse statt. Ganz wichtig sind dabei für uns sogenannte Zukunftsgestalter. Das sind Menschen, die wirklich etwas ändern wollen und die die anderen mit ihrer Dynamik mitnehmen.“
Welche Werkzeuge nutzen Sie für Ihre Arbeit und welche Rolle spielt das Thema Agilität?
Das Stichwort Agilität ist für viele ein Zauberwort, aber Agilität ist kein Selbstzweck. Uns geht es in den Transformationsprojekten darum, Menschen zu einer ganzheitlichen Agilität zu befähigen. Das heißt: Denk- und Handlungsweisen verändern, Potenziale entfalten, den Mensch in seiner Entwicklung sehen und ihn in die Lage versetzen, flexibel auf die Herausforderungen der Zukunft zu reagieren.
Dabei versuchen wir, Veränderungen möglichst greifbar zu machen, die Werkzeuge dafür werden jeweils individuell bestimmt. Grundsätzlich gut bewährt haben sich Mindset-Sessions. Dabei wird jeder Beschäftigte in einer überschaubaren Zeit an verschiedene Themen aus den Bereichen persönliche Entwicklung und zukunftsfähige Zusammenarbeit herangeführt. Für kleinere Teams nutzen wir Mindshift-Gruppen, in denen sich die Menschen in mehreren Modulen auf eine persönliche Entwicklungsreise begeben.
Mindset Changing im Unternehmen
Mit welchen Wünschen und Zielen kommen Unternehmer und Führungskräfte auf Sie zu? Auf welche Anforderungen und Probleme treffen Sie am häufigsten, wenn Sie in die Unternehmen gehen?
Im Kern geht es immer um die Entwicklung einer zukunftsfähigen Organisation. Der Ausgangspunkt kann dabei ganz unterschiedlich sein:
Drei Ansatzpunkte:
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- Die Organisation hat festgestellt, dass Maßnahmen der Unternehmens-/Organisationsentwicklung / Innovation unwirksam sind, Umsatz/Gewinn stagnieren / rückläufig sind oder die Organisation die Anforderungen nicht mehr bewältigt
- Management und Mitarbeiter erreichen sich gegenseitig nicht mehr mit ihren Ideen und Vorhaben. Es wird viel geredet, aber nichts passiert. Es herrscht Stillstand und eine inkongruente Führungskultur.
- Die Mitarbeiter sind methodisch hochgerüstet, die Arbeitsorganisation ist angepasst, aber in der Qualität der Arbeit oder des Outputs ändert sich viel weniger als erhofft.
Können Sie uns ein konkretes Beispiel geben, wie Sie vorgehen?
Ein Unternehmen hat nach langer und kostenintensiver Schulung agiler Methoden (Scrum, Kanban) festgestellt, dass sich die Art der Zusammenarbeit nur in neue Strukturen verlagert hat. Die ursprünglichen Hindernisse in der Geschwindigkeit der Arbeit, der Kommunikations- und Entscheidungsfähigkeit sowie bei der Übernahme von Verantwortung haben sich dagegen nicht grundlegend verändert. Unser Ansatz: Wir bieten für alle Mitarbeiter kurzweilige Mindset-Sessions zur Mindset-Entwicklung an. Parallel findet für Mitarbeiter und Führungskräfte, die ihre Haltung weiterentwickeln wollen, eine intensivere Arbeit in drei Modulen am persönlichen Mindset statt.
Anderes Beispiel: Die Inhaber eines mittelständischen Unternehmens mit 110 Mitarbeitern stellen fest, dass die Weiterentwicklung ihres Unternehmens stagniert. Klassische Maßnahmen wie neue Führungskräfte, neues Corporate Design und andere Kundenkanäle waren nur bedingt erfolgreich. Hier beginnt die Arbeit mit den Inhabern und parallel mit dem Management, um Klarheit von außen und innen herzustellen und persönlich in Bewegung zu kommen. Quasi eine Vorbereitung auf die gewünschte Transformation. Den Schwerpunkt legen wir hierbei nicht auf die x-te externe Analyse oder Trenduntersuchung, sondern arbeiten in Modulen an zwei Tagen intensiv mit dem Inhaberteam, um ehrliche, tiefgreifende Dialoge untereinander möglich zu machen. Sobald die notwendige Klarheit hergestellt ist, rücken schnellstmöglich die Mitarbeiter in den Fokus, die gemeinsam mit den Inhabern ihr Unternehmen der Zukunft partizipativ entwickeln können.
„Eine klare Orientierung in Form eines Purpose oder Why und neue innere Einstellung gegenüber Veränderungen sind viel zielführender als langwierige Werte-Diskussionen.“
„Wer das Mindset von Menschen weiterentwickeln möchte, muss das Individuum in den Mittelpunkt stellen.“
Funktioniert das „demokratische Unternehmen“?
Wir bevorzugen stets den Ansatz, die Potenziale der Menschen zu entdecken bzw. zu entfalten und sie dann an der richtigen Stelle zum Einsatz zu bringen, so dass jeder zum Höchstleister werden kann. In „demokratischen“ Unternehmen besteht dagegen das Risiko, ähnlich wie in der Politik, dass sich z.B. Populisten durchsetzen und die Führung übernehmen – obwohl sie ihr Potenzial an anderer Stelle besser zur Geltung bringen könnten oder die Menschen sich auf der Suche nach einem Konsens in langen Meetings verlieren.
Welches Mindset und welche Erfahrungen brauchen Mitarbeitende, um in hierarchiefreien Umgebungen zu wirken?
Mitarbeiter sollten den Sinn einer hierarchiefreien Umgebung verstanden haben – also ein Verständnis dafür haben, warum es diese Form der Arbeit braucht. Vorerfahrung ist aus unserer Sicht nicht notwendig. Wichtig ist neben der Bereitschaft für persönliche Entwicklung eine initiale Befähigung zur Selbstorganisation sowie stetige Selbst- und Weiterentwicklung durch Retrospektiven. Alles weitere ergibt sich auf dem Weg.
Welche Auswirkungen werden die neuen Technologien KI und RPA auf Organisationen und Mitarbeitende haben?
Unternehmen können sich den neuen Technologien kurz- und mittelfristig nicht verschließen, wenn sie zukunftsfähig sein und bleiben wollen. Auch hier gilt: das Mindset der Mitarbeiter entscheidet über die Schnelligkeit im Einsatz und den nachhaltigen Erfolg. Wenn sich Menschen mit veränderten Denk- und Handlungsweisen neuen Technologien nähern, können sie deren Potenziale effektiv für die eigene Arbeit erschließen.
Mindset Changing in Arbeitswelten
Wie verstehen Sie den Begriff „werteorientierte Arbeitswelt“?
Menschen suchen seit jeher eine Orientierung, doch bei zunehmender Komplexität und Dynamik wie aktuell steigt die Sehnsucht nach Orientierung und Sinn. Früher waren es Politik, gesellschaftliche Konventionen oder die Kirche, die den Menschen Orientierung und Wertvorstellungen gegeben haben. Allerdings haben Werte auch die unangenehme Eigenschaft, sich sehr langsam weiterzuentwickeln. Dadurch können sie viele Entwicklungen blockieren. Deswegen stehen wir dem Thema Werte für Unternehmen skeptisch gegenüber.
Immer mehr Firmen stellen jetzt ihren sogenannten Purpose in den Vordergrund. Sie versuchen also zu vermitteln, was ihr Beitrag für die Gesellschaft ist. Die jungen Generationen, die aktuell in die Unternehmen kommen und aufgrund des Fachkräftemangels stark umworben werden, suchen nach einer klaren und ehrlich gemeinten Orientierung. Sie möchten sich mit ihrem eigenen Purpose mit einer Organisation als Mitarbeiter oder Kunden verbinden und einen sinnvollen Beitrag zum Wert der Organisation leisten.
Agil vs. flexibel: Die Begrifflichkeiten „agil“ und „flexibel“ sind derzeit in aller Munde, ihre Verwendung nahezu synonym. Was verbinden Sie damit?
Das Stichwort Agilität löst die unterschiedlichsten Assoziationen aus. Interessant ist, dass oft gar nicht hinterfragt wird, was der Begriff überhaupt für die jeweilige Gruppe bedeutet. Das führt nach unserer Beobachtung häufig dazu, dass agil mit flexibel gleichgesetzt wird. Wir haben für uns einmal versucht, eine Definition von Agilität zu entwickeln: Agilität ist die Fähigkeit, schnell und ohne große Verzögerungen auf Veränderungen in der Umwelt zu reagieren. Wenn der Wunsch oder das Ziel eines Unternehmens darin besteht, ganzheitlich agil zu denken und handeln, dann bedeutet das für uns, dass Menschen interdisziplinär und auf Augenhöhe zusammenkommen. Dass die richtigen Kompetenzen eingebunden und die unterschiedlichen Perspektiven mit Neugier zusammengebracht werden, um partizipativ Lösungen zu erarbeiten. Auf diese Weise kann flexibel und kreativ gedacht und agiert werden, so, wie es die neuen Arbeitsformen und vor allem -methoden wie Scrum erfordern.
„Agilität ist die Fähigkeit, schnell und ohne große Verzögerungen auf Veränderungen in der Umwelt zu reagieren. “
„Wenn Menschen ihr Potenzial voll ausschöpfen können, dann handeln sie aus einer inneren Überzeugung heraus und erzielen Höchstleistung. “
Wie kann eine Organisation „Enabler“ sein für die Arbeitsmodelle der Zukunft?
Es braucht ein Umdenken und eine grundlegende Veränderung in den bisherigen Denk- und Handlungsweisen. Dazu gehört vor allem, Führung zu denken und zu leben. Das bedeutet für uns, dass Teams einen Rahmen gesteckt bekommen, den sie selbst ausgestalten können.
Für Menschen mit einem zukunftsfähigen Mindset spielen Anwesenheitspflichten, feste Arbeitszeiten und -orte oder Stempeluhren keine Rolle, sie begrenzen sie eher in ihrer Kreativität und Leistungsfähigkeit. Wenn Menschen ihr Potenzial voll ausschöpfen können, dann handeln sie aus einer inneren Überzeugung heraus und erzielen Höchstleistung. Deswegen sollten sich Arbeitsmodelle immer weiterentwickeln und an die Bedürfnisse der Menschen anpassen: Was nützlich ist, wird weiter verstärkt – Nutzloses wird verworfen. Die Komplexität der Herausforderungen erfordert außerdem ein Lösungsdenken im Team. Denn gerade die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Perspektiven machen ein neues Mindset und eine neue Qualität der Lösungen erst möglich.
CC BY-ND 4.0 DE
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