Krisen kommen und gehen, Nachhaltigkeit wird bleiben

Ein Gastbeitrag von Stefan Fritz, Spezialist Investmentfonds im Angebotsmanagement des Investmentfondsgeschäfts der GLS Bank.

Auch in den nächsten Monaten werden Investoren starke Nerven brauchen. Viele Krisen sind noch nicht gelöst. Die Briten wissen nicht, wie sie die EU verlassen wollen. Die großen Industrienationen streiten sich um die Handelspolitik. Die Konjunktur trübt sich mehr und mehr ein. Und wer weiß, was im Mai die Europawahlen bringen?

Politische und wirtschaftliche Unsicherheiten werden wie in den vergangenen Jahren auch die kommenden Monate prägen. Dies dürfte sich in volatilen Finanzmärkten niederschlagen. Doch so heiß viele Themen in den Medien auch gehandelt werden, so sicher werden sie auch wieder vorüber gehen. Oder spricht gerade noch jemand vom Italien-Risiko oder gar den griechischen Staatsschulden? Häufig sind viele Risiken schon eingepreist und lösen nicht so große Turbulenzen auf den Märkten aus wie medial befürchtet. Ende 2018 haben starke Übertreibungen gar für ein günstiges Bewertungsniveau Anfang 2019 gesorgt.

Nachhaltige Finanzwirtschaft – eine Priorität der EU

Ein Thema allerdings hat an den Kapitalmärkten in den vergangenen Jahren eine immer größere Bedeutung gewonnen: Nachhaltigkeit. Laut der jüngsten Marktstudie des europäi-schen Branchenverbandes Eurosif setzt sich heute nahezu jeder Fondsanbieter aktiv mit diesem Thema auseinander. Europaweit werden bei einem Anlagevolumen von 4 Billionen Euro ökologische, soziale und Governance-Kriterien beachtet. Sogar die Politik reagiert: Die EU hat sich auf die Fahnen geschrieben, den europäischen Finanzmarkt nachhaltiger zu gestalten, um ihre ambitionierten Nachhaltigkeits- und Klimaziele zu erreichen.

Damit rückt das bis vor kurzem noch belächelte Nischenthema plötzlich ins Rampenlicht. Die EU trödelt nicht. Anfang 2018 hat eine hochrangige Expertengruppe acht konkrete Vorschlä-ge veröffentlicht. Viele davon wurden wenige Monate später in einem EU-Aktionsplan zur Finanzierung Nachhaltigen Wachstums beschrieben. Derzeit debattieren Investoren, Finanz-dienstleister und Politiker darüber. Schlagwörter wie ESG-Integration, Impact Investing, Green Bonds, Green Supporting Factor, Klimareporting, Carbon Bubble, Taxonomie oder Low-Carbon Benchmarks machen die Runde.

Nachhaltige Investments – was heißt das eigentlich?

Eine Herausforderung wird sein, erst einmal ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwi-ckeln. Für viele Investoren heißt Nachhaltigkeit, soziale und ökologische Governance-Risiken in das hauseigene Risikomanagement zu integrieren, um damit treuhänderischen Pflichten besser gerecht zu werden, die sogenannte ESG-Integration. In der Praxis meiden diese Anbieter dann Investitionen in eine Handvoll Unternehmen, u.a. die größten Kohleunternehmen. Ansonsten bleibt häufig alles beim Alten.
Anderen geht das nicht weit genug. Sie wollen mit ihren Investments eine positive nachhaltige Wirkung erzielen. Dieses „Impact Investing“ soll einen messbaren Beitrag zu den 17 Sustainable Development Goals der UN leisten. Die Investoren wollen zum Beispiel Lösungen gegen den Klimawandel sowie Hunger und Armut auf der Welt finanzieren.

Eine einheitliche Taxonomie soll es richten

Für den Umbau der Finanzwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit, bedarf es also erst einmal einer gemeinsamen Sprache. Derzeit beraten Experten in Brüssel über die Entwicklung einer Ta-xonomie für nachhaltige Investments, in der genau festgelegt werden soll, was nachhaltig ist und was nicht. Diese ist dann Ausgangspunkt für weitere Standards, beispielsweise für Green Bonds oder grüne Fonds.
Es wird sich zeigen, mit welchen Ergebnissen die Experten aufwarten. Angesichts der vielfäl-tigen Interessenslagen der Akteure dürfte mit heftigen Diskussionen zu rechnen sein. Die EU-Kommission selbst hat einen straffen Zeitplan. Sie will im ersten Halbjahr 2019 verschiedene Berichte veröffentlichen, in denen sie den ersten Teil der Taxonomie zu klimafreundlichen Investments, EU Green Bond Standards, Nachhaltigkeitsratings sowie Reportings präsentiert.

Dann wird sich zeigen, wie ernst die EU es meint. Wird es nur kosmetische Änderungen geben? Möglichkeiten zum Greenwashing? Oder werden Maßnahmen geplant, mit denen sich Anlagegelder in soziale und ökologische Geschäftsmodelle umlenken lassen. Es bleibt zu hoffen, dass die handelnden Akteure sich ihrer Verantwortung bewusst sind und mit ähnlicher Leidenschaft wie derzeit tausende Schüler*innen für eine nachhaltigere Welt eintreten.

Weitere Informationen unter:
https://www.gls.de/geschaefts-firmenkunden/

Über den Autor

Stefan Fritz arbeitet als Spezialist Investmentfonds im Angebotsmanagement des Investmentfondsgeschäfts der GLS Bank. Zuvor war er für das französische Researchunternehmen Novethic mit Sitz in Paris tätig, von wo aus er die Entwicklung des europäischen Marktes für nachhaltige Investments begleitete.

CC BY-ND 4.0 DE

 
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