Die Digitalisierung benötigt zu viel Energie
Elektrischer Strom ist auch für die Digitalisierung von zentraler Bedeutung. Der Energiebedarf der IT steigt rasant, das zeigt nicht zuletzt die Entwicklung bei den Kryptowährungen: Das Mining von Bitcoin benötigt mittlerweile so viel Strom wie etwa ganz Dänemark, und eine einzige Bitcoin-Transaktion so viel wie ein Haushalt im Monat. Man kann sich leicht ausrechnen, welche Auswirkungen es hätte, wenn eine gesamte Wirtschaft auf Basis von Kryptowährungen arbeiten würde.
Dabei ist das Kryptogeld nur ein Beispiel für eine Vielzahl von rechenintensiven Prozessen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Der Bedarf an Rechenzentrumskapazitäten und damit auch an Energie steigt mit wachsendem Einsatz von Cloud-Lösungen, Big Data, IoT und der fortschreitenden informationstechnischen Vernetzung. Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning erfordern Hochleistungsrechner, sogenannte Supercomputer, die riesige Datenmengen verarbeiten und mittlerweile mehr als eine Billiarde (1015) Rechenoperationen pro Sekunde bewältigen. Das Streben nach immer mehr Performance hat aber auch eine Kehrseite: Digitalisierung bringt nicht nur „smartere“ Prozesse, sondern führt zu einem exponentiellen Anstieg unseres Energiebedarfs – kein Wunder, dass sich der Stromverbrauch bis zum Jahr 2030 verdreifachen soll.
Es liegt auf der Hand, dass diese Entwicklung die Einhaltung ehrgeiziger Klimaziele massiv erschwert, wenn nicht sogar unmöglich macht. Die moderne Gesellschaft steckt hier in einem Dilemma: Natürlich lässt sich die Entstehung neuer Technologien nicht verhindern, wir können und wollen die Digitalisierung nicht aufhalten. Auf der anderen Seite müssen aber natürliche Ressourcen geschont und Schadstoffe nachhaltig reduziert werden, das steht ebenfalls außer Frage. Dringend notwendig sind Lösungen zur Bereitstellung von sauberer, zuverlässiger und dennoch kostengünstiger Energie. Nur so können wir die Vorteile der neuen Technologien nutzen und gleichzeitig den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Zukunft bereiten.
Einfach wird es jedenfalls nicht, auch wenn das Problem längst erkannt wurde. Schon 2008 tauchte in der Liste der 500 schnellsten Computersysteme auch der Energieverbrauch auf – ein erster Schritt in die richtige Richtung. Das Umweltbewusstsein muss nun auch bei der Entwicklung neuer Systeme und Prozesse eine zentrale Rolle spielen und Hersteller müssen bei neuen Technologien den Energieverbrauch von vorneherein mitberücksichtigen – also nicht nur Security by design, sondern auch Energy Efficiency by design.
Die IT muss innovative Technologien entwickeln, um das Energieproblem in den Griff zu bekommen. Nicht nur in den Rechenzentren muss die Energieeffizienz weiter verbessert werden; die IT muss auch Lösungen für die Optimierung der Energieversorgung insgesamt bereitstellen. Hier kann KI helfen, Energiebedarfe genau vorherzusagen, die Bereitstellung zu optimieren und so Energie zu sparen.
Nicht zuletzt ist es für die Innovationsfähigkeit des Standorts Deutschland essentiell, die Strompreise so zu gestalten, dass Unternehmen auch weiterhin in Zukunftstechnologien investieren beziehungsweise diese nutzen können. Die Strompreise in Deutschland gehören zu den höchsten weltweit, weshalb die Gefahr besteht, dass Unternehmen ihre Rechenzentrumsproduktion ins Ausland verlagern und innovative Unternehmen abwandern. Gleichzeitig legen Unternehmen aber zu Recht Wert darauf, dass ihre Daten in Deutschland bleiben, was dazu führt, dass sowohl nationale als auch internationale Cloud-Anbieter aktuell stark in Deutschland investieren. Zu hohe Energiepreise könnten diese Investitionen gefährden und die Digitalisierung in Deutschland ausbremsen. Die Politik hat bereits reagiert: Mit dem Beschluss der Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung durch das Bundeskabinett am 15. November 2018 wird Deutschland bis einschließlich 2025 insgesamt etwa drei Mrd. Euro für die Umsetzung der KI-Strategie, insbesondere auch für die Stärkung der Forschung in Deutschland und Europa, zur Verfügung stellen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum führenden Standort für Entwicklung und Anwendung von KI-Technologien und Voraussetzung für die fortschreitende Digitalisierung. Wenn wir mit der gleichen Anstrengung auch die Entwicklung zukunftsfähiger Energiekonzepte vorantreiben und innovative Zukunftstechnologien so mit der erforderlichen Nachhaltigkeit versehen, kann dies einen bedeutenden Vorteil fürden Standort Deutschland im Digitalisierungswettbewerb bringen.
* Kai Grunwitz ist Senior Vice President EMEA bei NTT Security