Wie der Internet-Computer die Machtverhältnisse in der digitalen Welt neu ordnen soll
von Andreas Fuhrich
Mehr als fünf Stunden lang mussten sich die die CEO‘s der Tech-Giganten, Google, Apple, Facebook und Amazon im Sommer letzten Jahres den Fragen des US-Kongresses stellen. Der Grund: Die Tech-Giganten beschädigen die Wirtschaft, verhindern Unternehmertum, zerstören Arbeitsplätze und verteuern Produkte. Kurzum: Sie haben zu viel Macht.
Eine Macht, die auch die wirtschaftliche Basis der Verlage und damit die Pressefreiheit bedroht. „Eine wirklich unabhängige Presse müsse auch wirtschaftlich unabhängig sein“, sagte Julia Becker im Rahmen eines Impulsreferats zu einer Podiumsdiskussion des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger zum Tag der Pressefreiheit am 3. Mai. Verschlechtern sich die wirtschaftlichen Grundlagen weiter, so ist „eine freie Presse und damit auch die Pressefreiheit in Ihrem Bestand gefährdet.“ Das Problem: Über 70 Prozent des digitalen Werbemarktes liegt heute in den Händen von drei US-amerikanischen Technologieplattformen. Nahezu ein drittel der Werbeausgaben in Deutschland vereinnahmen Google, Facebook und Amazon. Damit entscheiden die Tech-Giganten zunehmen darüber, wer Zugang zum Lesermarkt erhält und seine Veröffentlichungen durch Werbung, Vertrieb und Transaktionen finanzieren kann.
Das Web 3.0
Immerhin, es gibt Bestrebungen diese Dominanz zu brechen und mit einem „Web 3.0“ eine echte Alternative zu schaffen, die den Benutzern und kleinen Unternehmen mehr macht zurückgibt. „Das Ziel ist es, Systeme zu schaffen, die mehr wie offene Protokolle aussehen – denken Sie an E-Mails und RSS-Feeds – und weniger wie profitorientierte Unternehmen“ erklärt Joe Lubin, CEO und Gründer von Consensys, den Ansatz. Viele dieser neuen Systeme basieren auf der Blockchain-Technologie und Lubin ist einer der Mitgründer einer der größten Blockchains, Ethereum.
Getreu dem Web-3.0-Ethos hat Lubin keine formale Rolle mehr bei Ethereum, stattdessen wird das Projekt nun von einer gemeinnützigen Stiftung verwaltet. Consensys entwickelt dafür Tools und Anwendungen.
In den fünf Jahren seit dem Start von Ethereum sind andere in seine Fußstapfen getreten. Dfinity, zum Beispiel, ist „als kompletter Ersatz“ für die bestehende Internet-Infrastruktur gedacht“, so CEO Dominic Williams.
Unterstütz mit 102Millionen Dollar von Risikokapitalgebern und Hedgefonds arbeitete er fünf Jahre mit seinem fast 200-köpfigen Team an dem Projekt, welches nichts Geringeres leisten soll als die Machtverhältnisse im Internet neu zu ordnen.
Die Programmierer, Kryptografen und Mathematiker aus den Forschungszentren in Zürich, Palo Alto, San Francisco und Tokio entwickelten mit dem „Internet Computer Protocol“ (ICP) einen neuen Standard.
Bislang benötigte jede Software eine Hardware, auf der sie laufen kann und Daten müssen zwischen Servern und Endgeräten der Nutzer ausgetauscht werden, damit bspw. eine App funktioniert. Dabei greifen die Benutzer notgedungen zunehmend auf die Server von Amazon, Microsoft oder Google zu.
Das dezentrale ICP ermöglicht nun Software und Daten im Internet frei zirkulieren zu lassen. Software hat so keine feste physikalische Adresse mehr, sondern kann sich zwischen Geräten überall auf der Welt hin und her bewegen, wodurch die Machtkonzentration auf die großen Cloud-Anbieter aufgebrochen wird. Das öffentliche Internet wird in einen dezentralen globalen Computer verwandelt – den Internet-Computer.
Wer dem Projekt Speicherplatz oder Rechenleistung zur Verfügung stellt oder hilft das System zu pflegen und zu warten, erhält Token, die an den Kryptowährungsbörsen der Welt umgetauscht werden können.
Mit dem offiziellen Start des Internet-Computers gibt Williams dessen Quellcode frei, wodurch Entwickler und Unternehmen nun Anwendungen und Websites dafür entwickeln können.
„In fünf Jahren kennt uns jeder, in zehn Jahren ist jedem klar, dass wir gewonnen haben, und in 20 Jahren werden wir der Standard sein“, prophezeit Williams. Ob er damit Recht hat, bleibt indes abzuwarten. Die Anwendungen auf Ethereum bspw. umfassen nach fünf Jahren hauptsächlich einfache Spiele und experimentelle Finanztools mit überschaubarer Akzeptanz. Weniger als 100.000 Menschen sollen 2020 Ethereum-Anwendungen genutzt haben. Ironischerweise ist dabei die bekannteste Initiative die digitale Währung Libra – Facebook lässt grüßen.
Aufmacherbild von Gerd Altmann auf Pixabay
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