Wer, wie, was: IT-Organisation auf dem Prüfstand
Unsere Gastautorin Andrea Hendrickx, Country Head Germany bei Infosys, beschreibt, wie wichtig für die Erzielung besserer digitaler Ergebnisse es ist, die drei Fragen „Wer“, „Wie“ und „Was“ genau beantworten zu können.
Die Auswirkungen der vergangenen zwei – von COVID-19 geprägten – Jahre haben Unternehmen gezwungen, neue Technologien und Arbeitsweisen einzuführen. Organisationen, die bisher als „Watcher“ (Beobachter) galten – also, Firmen, die bisher nur zugeschaut und abgewartet haben, während andere Unternehmen neue Workflows und Technologien implementierten – haben sich zu „Doers“ (Machern) entwickelt.
Gleichzeitig stehen die sogenannten „Big Tech“-Unternehmen wie nie zuvor auf dem Prüfstand: Das 2021 Edelman Trust Barometer verdeutlicht, dass in 17 Ländern – darunter auch den USA – das Vertrauen in den Technologiesektor einen historischen Tiefstand erreicht hat. Die Menschen sind der Technologie überdrüssig geworden. Entweder sie verstehen diese nicht mehr oder aber das Einführungstempo ist ihnen zu schnell geworden. So wurden Instrumente, die dafür sorgten, dass Arbeit ‚remote‘ erledigt werden kann, inzwischen für viele Arbeitnehmer zum Sinnbild für lange Tage vor dem Bildschirm. Auch die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmt zusehends.
Die Digital Radar Studie 2022 von Infosys belegt, dass fast alle Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren branchenübergreifend die Einführung von Technologien vorangetrieben haben. In den Jahren davor gab es stets einen bestimmten Anteil an Firmen (etwa zehn Prozent im Jahr 2020), die vorerst abwarteten und die technologischen Entwicklungen der Konkurrenz beobachteten, bevor sie selbst aktiv wurden. Diese „Watcher“ sind mittlerweile verschwunden und haben die nächste Stufe erreicht: Sie verfügen nun über neue digitale Technologien. Deren effiziente Nutzung stellt allerdings die nächste Hürde dar.
Die meisten Unternehmen verstehen mittlerweile das „Wo“ und das „Wie“ ihrer eingesetzten Technologien. Damit diese sich aber wirklich effizient nutzen lassen, müssen Organisationen sich auch mit dem „Wer“ beschäftigen und verstehen, inwiefern digitale Tools das Geschäft beeinflussen: Die Interaktion mit den Mitarbeiter*innen, die diese Technologien tatsächlich einsetzen, ist enorm wichtig.
Die Pandemie hat das „Wo“ der Arbeitsumgebung grundlegend verändert. Weltweit statteten Unternehmen, darunter auch Infosys, ihre Mitarbeiter*innen mit Laptops, Remote-Zugang und Kollaborations-Tools aus, damit diese sicher remote oder im Home-Office arbeiten und ihren gewohnten Tätigkeiten nachgehen konnten. Auffällig: Die große Mehrheit der Unternehmen veränderte das „Wie“ ihrer Arbeitsweise rein aus der Notwendigkeit heraus, die Herausforderungen der Pandemie zu adressieren.
Aber etwas umzusetzen und damit auch gute Ergebnisse zu erzielen, sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Ermöglicht eine anspruchsvollere Technologie tatsächlich bessere Resultate als die Version aus dem vergangenen Jahr? Und macht Technologie das Leben der Menschen wirklich besser oder leichter? Die Antworten darauf sind gemischt. Doch es steht fest: Neue Technologien müssen oftmals Hürden überwinden, bevor sie angenommen und akzeptiert werden – unter anderem spielt dabei das Unbehagen der Menschen über die wachsende Rolle der Technologie in ihrem Leben eine große Rolle.
Der Wandel hin zum digitalen Arbeitsplatz bringt darüber hinaus auch ein Umdenken unter den Mitarbeiter*innen mit sich. Wirtschaftsprofessor Anthony Klotz erwartet gar, dass unsere Gesellschaft vor der sogenannten „Great Resignation“ (große Resignation) steht. Diese wird ausgelöst durch die wachsende Zahl an Burnout-Krankheiten und den grundlegenden Veränderungen im Lebensstil sowie dem Wunsch, auch künftig remote zu arbeiten. Aber auch die Anforderungen an Unternehmen – egal, ob von Arbeitnehmern oder Kunden – haben sich verändert und werden kritisch hinterfragt. Bei der Entscheidung für oder gegen eine Organisation gewinnen beispielsweise Fragen nach dem Mehrwert oder Unternehmenswerten gegenüber finanziellen Aspekten (etwa „Wie hoch ist das Gehalt?“ oder „Welches ist der beste Preis?“) an Bedeutung.
Die Anforderungen an qualifizierte Arbeitskräfte werden zunehmend anspruchsvoller – dies resultiert in zahlreichen Branchen in einem signifikanten Fachkräftemangel. Um diesen Trend zu adressieren, empfiehlt Conference Board, eine Art Business-Denkfabrik, dass Unternehmen über höhere Gehälter hinaus Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme sowie Konzepte für flexible Arbeitsmodelle entwickeln müssen, um hochqualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen und zu halten. Selbst Firmen, die diese Empfehlungen bereits in Angriff genommen haben, müssen sich wahrscheinlich dennoch mit Personalengpässen auseinandersetzen.
Technologie hat das Potenzial, diese Lücke auf der technischen Seite zu schließen – beispielsweise sind Mitarbeiter*innen in der Lage, eigene einfache Workflows und Anwendungen mithilfe Low-Code-/No-Code-Plattformen zu entwickeln. Low-Code-Plattformen ermöglichen es Anwendern, eigene Lösungen auf Geschäftsfunktionsebene zu erstellen. Dies entlastet nicht nur IT-Teams, sondern zahlt gleichzeitig auch auf die generelle Geschäftsentwicklung ein: Unternehmen bleiben wettbewerbsfähig und die Belegschaft profitiert von einer besseren Anwendererfahrung. Gleichzeitig sollten Führungskräfte die Demokratisierung der Technologie vorantreiben, aber auch einige „Leitplanken“ zum Schutz von Unternehmen / Geschäft, Anwendern und Plattformen aufstellen. Insbesondere die Low-Code-/No-Code-Entwicklung bietet Firmen die Chance, sich vom Wettbewerb zu differenzieren.
Dennoch haben die meisten Unternehmen die Potenziale der Technologie noch nicht erkannt: Im Rahmen des Digital Radar 2022 wurden 19 digitale Initiativen bewertet, dabei reihte sich die Low-Code/No-Code-Entwicklung auf den letzten Platz des Rankings ein. Der Grund: eine zu niedrige Akzeptanzrate. Gerade einmal 62 Prozent der befragten Organisationen nutzen Low-Code/No-Code-Entwicklung in mindestens einem Geschäftsbereich. Zum Vergleich: Bei den gängigsten Initiativen (API und Microservices mit 79 Prozent, Cybersecurity mit 78 Prozent und dem Internet der Dinge mit 77 Prozent) liegt die Akzeptanz bei jeweils über 75 Prozent.
Für Unternehmens- und Technologieführer ist es an der Zeit, das „Wer“ der digitalen Transformation über das „Wo“ und „Wie“ zu stellen. Organisationen müssen klare, auf den Menschen ausgerichtete Ansätze verfolgen, unabhängig vom Standort und den eingesetzten Technologien. Unternehmen, die sich durch ihre auf den Menschen ausgerichteten Ziele auszeichnen, setzen ihre Technologien effizient ein und erwirtschaften größere finanzielle Erträge. Sie sind in der Lage, Disruptionen zu adressieren, sich an die beschleunigte digitale Transformation anzupassen und auf die gestiegenen Anforderungen der Menschen, des Planeten und der Gemeinschaft zu reagieren.