von Andreas Fuhrich

Am 10. Juli 2021 schrieb Richard Branson Geschichte. Er war der erste Mensch, der an Board eines Raumfahrzeugs seiner eigenen Firma eine Flughöhe 282.000 Fuß (rund 86 km) erreichte und damit zumindest gemäß NASA-Definition ins All vordrang. Der Flug der VSS Unity gilt als Meilenstein im Weltraumtourismus, auch wenn neben Brenson nur Angestellte von Virgin Galactic und somit keine zahlenden Passagiere an Bord waren.

Anders verhielt es sich bereits zehn Tage später, als am 52. Jahrestag der Mondlandung eine wiederverwendbare Trägerrakete der Firma Blue Origin von der Erde abhob. Bei 100 Höhenkilometern durchbrach New Shepard die Kármán-Linie, die auch für den internationalen Luftfahrtverband FAI die Grenze zum All markiert.  In der Kapsel befanden sich mit Firmengründer Jeff Bezos und seinem Bruder Mark die ersten Zwillinge im All und mit der 81-jährigen Wally Funk die älteste Frau. Mit an Bord war auch der nur 18 Jahre alte und bislang jüngste Astronaut Oliver Daemen, der sein Ticket durch eine Versteigerung erwarb. Dabei hatte er Glück, denn der eigentliche Sieger der Auktion, der mit 28 Millionen Dollar das höchste Gebot abgab, musste passen, weswegen der Niederländer mit dem zweithöchsten Gebot den Platz einnahm. Doch auch er ist nicht der erste Mensch, der für einen Ausflug ins All bezahlte.

Als tatsächlich erster Weltraumtourist gilt der Amerikaner Dennis Tito. Für etwa 20 Millionen US-Dollar brach er bereits am 28. April 2001 an Board einer Sojus-Kapsel zur ISS auf, wo er sieben Tage 22 Stunden und 4 Minuten verweilte. Ihm folgten bis zum 30. September 2009 noch sechs weitere Touristen in sieben weiteren Ausflügen. Der Amerikaner Charles Simonyi, unter dessen Leitung die ersten Versionen von Excel und Word entwickelt wurden, flog gleich zweimal zur Raumstation und zahlte mit 35 Millionen US-Dollar für seinen zweiten Aufenthalt so viel wie noch keiner. Zu den weiteren illustren Gestalten, die als Touristen ins All flogen, gehören auch der Cirque-de-Soleil-Gründer und passionierte Pokerspieler Guy Laliberté sowie der Computerspieleentwickler Richard Garriat. Auf Erden haust letzterer in einem mit Geheimgängen und Fallen gespickten Haus in Austin, Texas. Am günstigsten gelangte Anousheh Ansari zur ISS. Vielleicht gewährte man ihr einen Rabatt, weil sie einige Jahre zuvor gemeinsam mit ihrem Schwager Amir Ansari schon auf andere Art und Weise den Weltraumtourismus beflügelte.

Der Ansari-X-Prize

Der Ansari X-Prize war ein 1996 als X-Prize gestarteter Wettbewerb der US-amerikanischen X-Prize Foundation, der den ersten erfolgreichen privaten und bemannten suborbitalen Raumflug prämierte. Der Preis war mit 10. Millionen Dollar dotiert und wurde durch Spenden finanziert. Zu den Geldgebern gehörten unter anderem die Autoren Tom Clancy und Arthur C. Clark sowie der spätere SpaceX-Gründer Elon Musk. Der größte Betrag kam allerdings von Anousheh Ansari und ihrem Schwager Amir Ansari, was auch zur Umbenennung des Preises führte.

Der Wettbewerb diente zur Förderung der Weltraumindustrie im privaten Sektor, weswegen von einer Regierung unterstützte Bewerber nicht zugelassen waren. Es sollte bewiesen werden, dass Weltraumflüge für Firmen und Privatpersonen zugänglich und erschwinglich sind. Kreative Ideen, die den teuren Transport von Menschen und Nutzlasten in die Erdumlaufbahn preisgünstiger machen, sollten gefördert werden.

Um das Preisgeld zu gewinnen, musste das Raumfahrzeug unter anderem zweimal innerhalb von 14 Tagen die Kármán-Linie durchbrechen und dabei neben einem Piloten auch mindestens zwei Passagiere an Bord haben. Diese sollten nicht mehr als 100.000 US-Dollar für den Flug zahlen und konnten alternativ auch jeweils durch 90kg Ballast ersetzt werden.

SpaceShipOne und SpaceShipTwo

Am 21. Juni 2004 startete das Trägerflugzeug White Knight um 06:47 Uhr Ortszeit vom Mojave Air & Space Port in Kalifornien und klinkte das SpaceShipOne auf einer Höhe von 14,3 Kilometern aus. Daraufhin zündete der Pilot Michael Melvill den Raketenmotor, der das Flugzeug im Steigflug bis auf dreifache Schallgeschwindigkeit beschleunigen sollte, um dann im Parabelflug eine Flughöhe von rund 109 Kilometern zu erreichen. Mit einem Knall, der auch vom Piloten wahrgenommen wurde, verformte sich jedoch ein Teil der Flugzeugverkleidung und ein Fehler im Lagekontrollsystem brachte das Flugzeug unkontrolliert zum Rollen. Erst nach der Aktivierung eines Sicherheitssystems konnte die Flugbahn wieder stabilisiert werden und auf einen kurzzeitig erwogenen Flugabbruch wurde verzichtet. Obwohl der Raketenantrieb statt der vorgesehenen 80 nur für 76 Sekunden gezündet wurde und das SpaceShipOne somit nicht die geplante Endgeschwindigkeit erreichte, konnte es die Kámán-Linie knapp überschreiten. Der Flug ist damit der erste private bemannte Weltraumflug der Geschichte.

Die Bedingungen für den Ansari-X-Prize erfüllte das von Scaled Composites im Rahmen des Projekts Tier One entwickelte und von Microsoft-Mitbegründer Paul Allen finanzierte Raumschiff dann zwischen dem 29. September und 4. Oktober 2004.

Nach dem Erfolg des SpaceShipOne wurde SpaceShipTwo als Nachfolgemodell gemeinsam mit Virgin Galactic entwickelt. Das erste SpaceShipTwo-Exemplar – die VSS Enterprise – stürzte, ohne jemals den Weltraum erreicht zu haben, am 31. Oktober 2014 ab. Einer der Piloten kam dabei ums Leben. Die VSS Unity, die später auch Richard Branson befördern sollte, gelang schließlich am 13. Dezember 2018 ein erster Flug über die 50-Meilen-Marke (gut 80 km Höhe). Die Grenze von 100 km erreicht das SpaceShipTwo nicht.

Der privatisierte Weltraumtourismus

Uneingeschränkter Marktführer für Weltraumtourismus war bislang die Firma Space Adventures. Dieses Unternehmen vermittelte als Dienstleister die ersten sieben Weltraumtouristen und arbeitete dabei mit der staatlichen russischen Raumfahrtagentur Roskosmos zusammen. Für die Mission Sojus MS-20 von Dezember 2021 bis Januar 2022 hat Space Adventures mit Roskosmos den Transport zweier weiterer Touristen zur ISS vereinbart. Die Plätze sind schon belegt, doch ein weiterer Flug im Jahr 2023 kann jetzt gebucht werden.

Neben Roskosmos konnte SpaceAdventures 2020 mit SpaceX auch ein Privatunternehmen als Partner gewinnen, um kommerzielle Reisen ins All anzubieten. Anders als Virgin Galactic und Blue Origin dringt der Raumfrachter Dragon 2 der von Elon Musk gegründeten Firma nicht nur in den Weltraum vor, sondern führt seit 2020 im Auftrag der NASA sogar bemannte Raumflüge zur ISS durch. Am 15. September will das Unternehmen in den Weltraumtourismus einsteigen. Anders als bei Blue Origin und Virgin Galactic, wird der Ausflug ins All für die vier Passagiere nicht nur wenige Minuten, sondern direkt einige Tage betragen. Entsprechend gehört auch ein Astronautentraining zum Programm.

Noch eine Nummer größer ist das dearMoon Project: Alle acht Plätzte der für das Jahr 2023 anvisierten Mondumrundung hat der Japaner Yusaku Maezawa erworben. Wer sich selbst als Künstler betrachtet, konnte sich für einen der vakanten sieben Plätze bewerben.  Dafür sollten Interessenten zeigen, dass sie durch diese Mission individuell wachsen können und dass ihre Erfahrungen einen zukünftigen Wert für die Welt darstellt. Zudem sollten sie gesellschaftliche Beiträge leisten, von denen die Menschheit noch über Generationen hinweg profitieren wird. Die Bewerbungsfrist ist mittlerweile abgelaufen, doch die Verkündung der Teilnehmer, die eigentlich schon Ende Juli stattfinden sollte, verzögert sich noch. Kein Wunder bei über 1 Millionen eingegangenen Bewerbungsvideos.

Das Interesse an Ausflügen ins All scheint also definitiv vorhanden und auch zahlungswillige Kunden gibt es bereits genug. Laut Prognosen soll der Umsatz im Weltraumtourismus bis zum Jahr 2030 555 Millionen US-Dollar betragen. Firmenchef Bob Smith von Blue Origin spricht von 7500 Interessenten aus 150 Ländern, die an der Auktion teilnahmen. Konkrete Ticketkosten für die Zukunft bezifferte das Unternehmen zwar noch nicht, allerdings sprach Bezos davon, dass es sich um wettbewerbsfähige Preise handeln soll. Wettbewerber Virgin Galactic hat nach eigenen Angaben bereits die ersten 600 Tickets für jeweils 250.000 US-Dollar verkauft. Wegen der hohen Nachfrage ist der Preis mittlerweile auf 450.000 US-Dollar gestiegen. Ausflüge zur ISS dürften weiterhin etwa bei 20 Millionen US-Dollar liegen. Der für September anvisierte mehrtägige Aufenthalt über SpaceX soll insgesamt, also für vier Personen, über 100 Millionen US-Dollar kosten, auch weil sich die Raumkapsel weiter von der Erde entfernen wird als die Raumstation. Die Kosten für die 2023 geplante Mondumrundung wurden nicht veröffentlicht, sie dürften allerdings in den Sternen liegen.

CC BY-SA 4.0 DE

 
 
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