Im Jahr 2001 wurde von der Bundesregierung der endgültige Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen und das Ende der Laufzeit auf 2022 festgelegt. Heute, 2020, stellt sich allerdings die Frage: wird der Ausstieg wirklich klappen? Wo stehen wir heute bei den erneuerbaren Energien, und gibt es vielleicht sogar noch einen Rückzieher?

Tschernobyl und Fukushima sind zwei wichtige Gründe dafür, den Atomausstieg durchzuziehen. Unmittelbar nach der Katastrophe in Japan am 11. März 2001 wurde der Plan für den Atomausstieg konkretisiert, gekürzt, beschleunigt. Raus aus der Atomenergie – und das so schnell wie möglich. “Nach unveröffentlichten Berechnungen des Umweltbundesamtes wäre der Ausstieg bis 2017 möglich, sofern etwa fünf Gigawatt durch den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien oder Effizienzmaßnahmen erzeugt werden können.” hieß es am 30. Mai 2011 aus der SWR Umweltredaktion. Neben dieser optimistischen Haltung hagelte es allerdings auch Kritik am deutschen Vorhaben. Der damalige schwedische Umweltminister Andreas Calgren stufte den Beschluss als innenpolitisch motiviert ein, die französische Arbeitgeberpräsidentin Laurence Parisol kritisierte, dass das Vorhaben ein Problem für die Wettbewerbsfähigkeit in der EU werden könnte und Deutschland ja außerdem noch Atomstrom aus Frankreich beziehe. Der österreichische Innenminister Nikolaus Berlakovich dagegen begrüßte den Plan für den Atomausstieg und sprach von einer hohen Signalwirkung. Dennoch sind immer noch nicht alle Probleme geregelt, die für einen reibungslosen Ausstieg sorgen könnten.

Gefahr eines Blackouts

Auch nach fast 10 Jahren kursieren der Begriff und die Sorge vor einem sogenannten Blackout, einer lückenhaften Stromversorgung bis hin zum absoluten Desaster. Schließlich ist es für Verkehrssicherheit, Krankenhäuser, Altenheime, Lebensmittelindustrie und ihre Kühlketten sowie eigentlich jedes digitale Unternehmen unerlässlich, eine zuverlässige Stromversorgung zu erhalten. Spezialisten wiesen bereits auf die Risikolage insbesondere für Süddeutschland im Winter hin. Kritiker zweifeln außerdem an der Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit von Wind- und Solarkraftwerken. Allerdings ist der Anteil der durch Atomkraft erzeugten Energie bereits gesunken. Laut statista belief sich der Anteil in der Stromerzeugung 2000 noch auf 30,6%, im Jahr 2004 sogar auf 32,1%. Heute liegt der Anteil bei 12% der gesamten Energie. Das heißt, dass perspektivisch 12% der Energie, die heute noch durch Atomenergie entsteht, alternativ produziert werden müssen.

Endlagerung des Atommülls

Zwei Jahre vor dem geplanten Atomausstieg fehlt immer noch die Lösung für ein sicheres Endlager. Seit Inbetriebnahme von Atomkraftwerken in Deutschland sind über 15.000 radioaktiver Müll entstanden, der nun für mehrere hunderttausend Jahre sicher gelagert werden muss, und zwar an einem Ort, der auch Naturkatastrophen standhält. Außerdem muss sichergestellt werden, dass der strahlende Abfall nicht als Waffe missbraucht werden kann. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit hat einen umfangreichen Katalog mit Anforderungen an ein Endlager herausgegeben. Bis 2022 wird mit einer Menge von 600.000 Kubikmetern schwachen und mittelradioaktiven Mülls gerechnet, 30.000 Kubikmeter sollen allerdings hoch radioaktiv sein. Diese Mengen setzen sich aus dem Abfall der Atomkraftwerke und nuklearem Müll aus Medizin und Forschung zusammen. Die Idee einer Wiederaufbereitung ist bereits gescheitert. Ab 2027 soll Schacht Konrad als Endlager für schwach und mittelstark strahlenden Müll dienen, allerdings gibt es Sicherheitsbedenken bezüglich des Standortes. Bis 2031 möchte die Bundesregierung ein weiteres Endlager finden, aber die Suche wird mit Sicherheit schwierig.

Rückbau

Selbst wenn keine Energie mehr durch Atomkraft entsteht, müssen doch die Kraftwerke auch noch zurückgebaut werden. Und das dauert ungefähr fünf Jahre. Zuerst müssen die Brennelemente abkühlen, beim Rückbau selbst entsteht dann auch wieder radioaktiver Müll, der gelagert und gesichert werden muss. Sowohl während der Laufzeit der Atomkraftwerke als auch beim Rückbau entstehen gefährliche Arbeitssituationen, in denen Menschen mit der Strahlung in Kontakt kommen könnten. Ob es dort hilft, das ganze Unternehmen möglichst schnell über die Bühne zu bringen, ist fraglich. Schließlich müssen die Abläufe der Arbeiten sorgfältig geplant und die Sicherheit der Arbeiter sichergestellt werden.

Vorteile eines schnellen Ausstiegs

Die Vorteile eines schnellen Ausstiegs aus der Atomenergie liegen auf der Hand. Je schneller der Ausstieg erfolgt, umso weniger gefährlicher Müll wird produziert. Die Umwelt wird geschont und der Ausbau der regenerativen Energien muss weiter angeschoben und gefördert werden, um einen Blackout zu verhindern. Je schneller ein Atomkraftwerk vom Netz genommen wird, umso kürzer stellt es eine Gefahr dar. Die Vorteile zu Natur und Umwelt greifen aber eben nur dann, wenn der Atomstrom durch grünen Strom und nicht durch importierten Atomstrom ersetzt wird.

Atomausstieg 2022 – wird er stattfinden?

Vielerorts wird mit Spannung auf das Enddatum der Atomstromzeit in Deutschland geschaut. Und in den Sternen steht immer noch, welche Auswirkungen Corona auf die Planung hat. Im März 2020 sagte Regierungssprecher Steffen Seibert zu den Ausstiegsplänen: “Die Haltung der Bundesregierung zum Atomkonsens, zur Atomkraft, gilt unverändert: Der Ausstieg wird wie geplant vollzogen.”. Und auch die Atomkraftwerksbetreiber haben sich in den letzten 10 Jahren auf den Ausstieg vorbereitet. RWE wird also 2012 und 2022 die Atomkraftwerke Gundremmingen C und Emsland vom Netz nehmen und schließt eine Laufzeitverlängerung mittlerweile kategorisch aus. Voraussichtlich wird nun also der Atomausstieg 2022 stattfinden – es bleiben allerdings noch viele Fragen offen, die optimalerweise bald geklärt werden sollten.

Über den Autor

Seyit Binbir

Mit seinen Ratgebern über zeitaktuelle Themen hilft Seyit Binbir dabei, interessante Themen mit seinen Lesern zu teilen. Er ist außerdem Vertrauter und Wegbereiter vieler Start-Up Unternehmen im digitalen Sektor und Autor für Finanzthemen.

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