Mit KI gegen die Klimakatastrophe
von Anya Rumyantseva, Data Scientist bei Hitachi Vantara
Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich – wie die meisten Menschen aktuell – zu Hause. Das „normale” Leben scheint eine Pause eingelegt zu haben, aber für die Natur gilt dies nicht. Während wir uns drinnen aufhalten, erobern Tiere und Pflanzen Städte und Dörfer zurück. Fotos von Bergziegen, die auf den Straßen einer walisischen Stadt spazieren gehen, das wieder blaue Wasser der venezianischen Kanäle, der klare Himmel über China oder vom Aussterben bedrohte Großkatzen, die in Indien auf verlassenen Straßen herumstreifen, verdeutlichen einmal mehr, wie weit wir Menschen in den vergangenen Jahren in die Natur eingegriffen haben.
Probleme verschwinden nicht einfach
Auch wenn er vorerst vielleicht in den Hintergrund getreten ist, hat der Klimanotstand nichts von seiner Dringlichkeit verloren. So ist es erst wenige Monaten her, da verursachten schreckliche Überschwemmungen in Venedig Schäden an Häusern, Geschäften und historischen Stätten in Milliardenhöhe. Im australischen Buschfeuer verbrannten 5,5 Millionen Hektar Land in Neusüdwales und vernichteten den lokalen Wildbestand. Oder schauen Sie sich Bilder vom Great Barrier Reef von vor ein paar Jahrzehnten und heute an, um zu sehen, wie saure Gewässer (verursacht durch erhöhtes Kohlendioxid in der Atmosphäre) das vormals lebendige und blühende Korallenriff angegriffen haben.
Im Jahr 2018 warnten Wissenschaftler, dass die Menschheit noch zwölf Jahre Zeit hat, um den Temperaturanstieg auf unserem Planeten auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Bereits ein Anstieg um ein halbes Grad mehr würde das Risiko von Überschwemmungen, Dürren und extremer Hitze erhöhen. Die UNO kündigt an, dass wir uns bei unserem derzeitigen Kurs in Richtung drei Grad Celsius globaler Erwärmung bewegen – was einen irreversiblen Anstieg des Meeresspiegels und eine Katastrophe für große Küstenstädte auf der ganzen Welt auslösen würde.
Aufgrund des weltweiten Ausbruchs von Corona und den daraus resultierenden „Lockdowns” reisen weniger Menschen und die Wirtschaft verlangsamt sich. Städte und Regionen berichten über einen erheblichen Rückgang der Kohlenstoffemissionen. Viele Experten erwarten, dass die derzeitigen Abschaltungen Auswirkungen auf die CO2-Werte für das gesamte Jahr haben werden (BBC). Doch das wird natürlich nicht so bleiben, denn irgendwann werden die Lockdowns wieder aufgehoben. Die derzeitigen dramatischen Maßnahmen sind nicht der Weg in eine klimafreundliche Zukunft – dauerhafte Lösungen müssen nach wie vor gefunden werden.
Mit (künstlicher) Intelligenz das Problem angehen
Es gibt hier keinen Königsweg. Viele Spezialisten glauben aber, dass KI-Technologien ein enormes Potenzial haben, um uns dabei zu helfen.Eine der Möglichkeiten, für die KI heutzutage viel genutzt wird, ist die Steigerung der betrieblichen Effizienz. Unternehmen sind datenerzeugende Bestien, und sie beginnen, diese Daten in Algorithmen einzuspeisen, um herauszufinden, wo sie Prozesse rationalisieren und Kosten senken können. Dieselbe Technologie kann aber auch genutzt werden, um neue – manchmal überraschend einfache – Wege zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen zu entdecken. Oft kann schon eine kleine Anpassung an die Art und Weise, wie ein Unternehmen eine bestimmte Aufgabe erledigt, einen großen Einfluss auf die Umweltauswirkungen haben.
Im Moment gibt es keine Lösungen von der Stange, daher müssen Unternehmen zunächst ihre emissionsintensivsten Betriebsabläufe – wie zum Beispiel ihre Lieferketten – analysieren und von hier aus überlegen, wie KI-Techniken zur Prozessoptimierung eingesetzt werden können.
Ein gutes Beispiel ist hier Lineage Logistics, ein Kühlhausunternehmen, das Tiefkühlwaren vor ihrem Weg in die Regale der Supermärkte behandelt. Der jährliche Energieaufwand, um die Lebensmittel auf einer konstanten Temperatur von etwa minus 20 Grad zu halten, entsprach ungefähr dem einer mittelgroßen US-Stadt. Durch eine Unterkühlung der konnten die Gefriertruhen tagsüber (für fünf bis zehn Stunden) ausgeschaltet bleiben. Dadurch konnte der Energieverbrauch im Laufe von drei Jahren um 34 Prozent gesenkt werden. Voraussetzung dazu war absolute Präzision bei der Einhaltung der Gefrierpläne, einschließlich exakter Vorhersagen, wie sich äußere Einflüsse, wie etwa das Wetter, auf die Temperaturen auswirken würden. Dies war nur mit KI möglich.
Die Logistik- und Transportindustrie ist für etwa ein Viertel der gesamten europäischen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Viele dieser Unternehmen sind durch immer effizientere Nachhaltigkeitsziele unter Druck geraten. KI könnte ihnen helfen, diese zu erreichen und sogar zu übertreffen.
Eines dieser Unternehmen ist Stena Line, einer der größten Fährbetreiber der Welt. Ihr Ziel: den Treibstoffverbrauch um 2,5 Prozent pro Seemeile jährlich zu senken. Sie entwickelten einen „KI-Kapitän”, der in der Lage war, verschiedene Szenarien zu simulieren und die optimale Route zur Treibstoffeinsparung vorherzusagen. Der menschliche Kapitän gab verschiedene Faktoren wie Windverhältnisse, Wassertiefe und Meeresströmungen ein und in Echtzeit war die KI in der Lage, hilfreiche Empfehlungen zu geben, um das Schiff auf dem besten Kurs zu halten.
In den beiden oben genannten Beispielen haben die beteiligten Unternehmen weder das Rad neu erfunden noch ihr Geschäftsmodell komplett überarbeitet. Eine nachhaltigere Lösung lag hier auf der Hand und konnte mit Hilfe Künstlicher Intelligenz erreicht werden.
Engagement für eine nachhaltige Zukunft
Untersuchungen von PwC legen nah, dass der Einsatz von KI-Lösungen die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2030 um vier Prozent reduzieren könnte. Das entspricht den jährlichen Emissionen von Australien, Kanada und Japan zusammengenommen. Um dies zu erreichen, bedarf es jedoch einer gemeinsamen Verpflichtung von Unternehmen und Regierungen, in die richtige Technologie und Infrastruktur zu investieren.
Zum Glück gib es bereits Projekte, die in diese Richtung gehen: Seit 2015 sind die Scilly-Inseln – eine der am stärksten geschützten Landschaften Englands – Schauplatz eines ehrgeizigen Projekts, das darauf abzielt, den Kohlenstoffausstoß der Insel mit Hilfe von Technologie zu reduzieren. Hitachi, das Council of the Isles of Scilly, das Herzogtum Cornwall, Tresco und die Islands Partnership haben ihre Kräfte gebündelt, um den „CO2-Footprint” der Insel zu reduzieren und die lokale Produktion erneuerbarer Energien zu optimieren. Das Projekt nutzt rund 400 kW an Sonnenkollektoren, die auf 70 Häusern auf der ganzen Insel installiert sind, und arbeitet mit Hitachis IoT-Infrastruktur und einer KI zusammen, die in der Lage ist, Energieverbrauchsgewohnheiten (wie etwa den Stromverbrauch im Haushalt) zu erlernen und zu optimieren.
Hitachi steht an vorderster Front, um Städte wie London bei der Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen. 2019 startete man zusammen mit Partnern (Ofgem, UK Power Networks, Royal Mail, Centrica, Uber und Scottish and Southern Electricity Networks) den weltweit größten kommerziellen Electronic-Vehicles-Versuch. Optimise Prime wird den Projektpartnern dabei helfen, praktische Wege zur Überwindung der Vorlaufkosten zu finden, die derzeit eine weit verbreitete Einführung von Elektroautos verhindern, und gleichzeitig die Stromkosten senken. Der Datensatz wird öffentlich zugänglich sein, so dass sich Stadtplaner, Stromnetzingenieure und natürlich auch Fahrzeugbetreiber auf Elektroautos vorbereiten können.
Die laufenden Projekte stimmen mich optimistisch, aber all das langt natürlich bei weitem nicht. Die Technologie ist da und einige Unternehmen nutzen sie bereits. Aber es muss ein breiteres Engagement geben, um mit KI und Technologie die Erhaltung der Natur sicherzustellen.
Weitere Informationen unter:
www.hitachivantara.com/de-de