Die digitale Transformation belohnt die Mutigen
Autor: Mukul Dhyani, Country Head Germany & Switzerland bei Wipro.
Als vor einigen Jahren der Begriff der „digitalen Transformation” aufkam, wurde er schnell in den Kanon der meist genutzten Buzzwords aufgenommen. Kaum ein Kongress ohne Vortrag zum Thema, kaum ein Magazin ohne entsprechenden Aufmacher auf der Titelseite. Aber wie das so ist mit Buzzwords: Auf den Hype folgt erst die Ernüchterung, bevor das Thema im Mainstream ankommt. An ungefähr diesem Übergang befinden sich auch die Unternehmen in Deutschland, wie eine aktuelle Studie von Wipro Digital kürzlich bestätigte (Digital Transformation Survey 2019).
Während den Unternehmen in der Vorgängerstudie von 2017 noch deutliche Defizite bei der Umsetzung und allgemein eine Führungskrise attestiert wurden, herrscht 2019 große Übereinstimmung darüber, dass digitale Transformationsprojekte keine Zeitverschwendung sind. In Deutschland sind sich mittlerweile 92 Prozent (weltweit 94 Prozent) der Unternehmen darüber einig, was digitale Transformation bedeutet.
Die meisten Führungskräfte haben verstanden, dass sie etwas ändern müssen, um den wirtschaftlichen Anschluss nicht zu verlieren. Sie wissen, dass es nicht um die Digitalisierung von Prozessen geht, sondern ein kompletter Wandel vollzogen werden muss, der Service-Design, Produktinnovation, Verbesserungen in Betrieb, Technologie, Teammanagement und Talentförderung umfasst. Und dazu braucht es Mut.
Mut für eine neue Unternehmenskultur
Neue Geschäftsmodelle, Technologien und wachsende Kundenansprüche fordern die Unternehmen ständig heraus. Daher ist es wichtig, kontinuierliche Change-Programme ins Leben zu rufen und Feedback von Kunden einzubeziehen. Die Zahlen belegen, dass viele Unternehmen begonnen haben, ihre monolithischen Plattformen im Front-, Middle- und Backoffice, zu überarbeiten. Während das Frontend versuchte, innovativ zu sein, führte bei Middle- und Backoffice der Bruch mit den etablierten und vertrauten Prozessen zu einer Überforderung.
Gleichzeitig war in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Transformationsprojekten die Unternehmenskultur eines der Haupthindernisse. In der Studie gaben 60 Prozent der Führungskräfte in Deutschland an, nicht in der Lage zu sein, ihre bestehenden Teams dazu zu bringen, neue Technologien, Methoden oder Prozesse zu nutzen oder zu diesen zu wechseln. Dabei sind Organisationen, denen es gelingt, die Erwartungen der Mitarbeiter richtig zu managen, die Führungskräfte aufeinander abzustimmen und sicherzustellen, dass die richtigen Partner zusammenarbeiten, erfolgreicher.
Führungskräfte müssen verstehen, dass sie die Pflicht haben, ihren Teams zu zeigen, wie neue Formen der Zusammenarbeit die Unternehmensziele effizienter voranbringen können. Auch wenn damit einhergehend durch neue Arbeitsweisen gegebenenfalls bisherige Projektrollen überflüssig werden und Teams neu geschult werden müssen.
Mut zur Agilität
Um eine schnelle an Funktionen orientierte iterative Entwicklung voranzutreiben, gilt es, sich an die kulturellen und fachlichen Anforderungen von Agile, DevOps, Microservices, Containern und responsiven Architekturen anzupassen. Agile folgt der Erkenntnis, dass Entwicklungsteams nicht alles im Voraus planen können – daher wird keine finale Zielarchitektur festgelegt.
Der traditionelle Ansatz war zwar praktikabel, als die Halbwertzeit einer Technologie noch zwischen zwölf und 15 Jahren lag. Heute beträgt sie zwischen zwei und maximal drei Jahren, daher ist es von enormer Bedeutung, die Veröffentlichung neuer Funktionen nicht zu vertagen. Eine fixe Zielarchitektur riskierte solche Verzögerungen, was dazu führte, dass die Funktionen bereits veraltet waren, wenn sie zum Einsatz kamen. Eine kürzere Halbwertzeit erfordert eine schnelle, funktionsorientierte und iterative Entwicklung, eine reaktionsfähige Architektur und einen Agile-Ansatz. Ein solcher Entwicklungsansatz beseitigt auch den Druck, von Anfang an jedes Feature vorherzusagen, das ein Kunde wünscht.
Anstatt die Zielarchitektur von Anfang an zu finalisieren, implementieren viele Unternehmen mittlerweile nur die Architektur, die erforderlich ist, um mit der Einführung von Agile zu beginnen, um dann weitere Funktionen hinzuzufügen. Dasselbe gilt für die Technologieauswahl. Unternehmen müssen über eine Basistechnologie verfügen, um mit dem Aufbau beginnen zu können. Gleichzeitig sollten Architektur und Design aber agil und ersetzbar sein, wenn die Transformation voranschreitet.
Mut zu Veränderungen
Doch wie haben die Unternehmen, die sich erfolgreich transformiert haben und auch weiterhin transformieren eigentlich angefangen? Was müssen Unternehmen tun? Die Möglichkeiten unterschiedlicher Ausprägungen sind groß. Die Transformationsmodelle müssen anhand zahlreicher Parameter an jedes Unternehmen angepasst werden. Im Wort „Digital” sind zwei „i” enthalten, die für zwei unterschiedliche Ansätze stehen können:
Bei einigen Unternehmen funktioniert das Modell der Inkubation, bei der Unternehmen nach Möglichkeiten suchen, ein neues Produkt oder Geschäftsmodell außerhalb bestehender Denkweisen zu entwickeln, also praktisch auszubrüten. Anstatt den Kern des Unternehmens zu verändern, ermöglicht Inkubation, quasi von außen nach innen zu arbeiten, etwas Neues zu beginnen sowie schwerfällige Prozesse und Hierarchien zu überwinden. Diese Strategie beinhaltet oft die Gründung einer neuen Business Unit oder eines eigenständigen Unternehmens.
Im Gegensatz dazu ermöglicht die Immunisierung es Unternehmen, sich auf die Transformation im Kern zu konzentrieren. Den Fokus darauf zu richten, was am besten für das Unternehmen ist. Nach Möglichkeiten suchen, auf dem bestehenden Produkt oder der Marke aufzubauen und die Führungskräfte für eine langfristige Transformation der Organisation und ihrer Technologie einzusetzen. Meist erlaubt die Immunisierung einem bestehenden Team oder einer Projektgruppe, mit mehr Autonomie zu arbeiten und sich als Keimzelle der Transformation aufzustellen. Der Prozess startet im Inneren des Unternehmens und strahlt von dort bis an die Peripherie aus.
Mut, das Notwendige zu tun
Einige Unternehmen haben erkannt, dass es am zielführendsten ist, verschiedene Strategien nacheinander zu verfolgen, also beispielsweise mit der Inkubation zu beginnen und später die Organisation zu immunisieren. Dabei muss jedes Unternehmen für sich entscheiden, welcher der strategischen Ansätze am besten zu ihm passt und wie es die Transformation am sinnvollsten beginnt.
Der entscheidende Schritt zur erfolgreichen Transformation besteht darin, gewohnte Wege couragiert zu verlassen, Dinge, die schon immer so gemacht wurden, aufzugeben und ein System zu schaffen, das schnell scheitert und noch schneller lernt. Wichtig ist es dabei, die Mitarbeiter mit einzubeziehen, Team- und Arbeitsrollen aufzubrechen, Trainings anzubieten und offen zu sein, ständig neu zu lernen. Zur Transformation gehört es auch, immer wieder zu scheitern und es neu zu versuchen. Die Mutigen werden dabei am reichsten belohnt.
Führungskräfte müssen verstehen, dass sie die Pflicht haben, ihren Teams zu zeigen, wie neue Formen der Zusammenarbeit die Unternehmensziele effizienter voranbringen können.
Mukul Dhyani
Weitere Informationen unter:
www.wipro.com