Erneuerbare Energien müssen flexibler werden

Gastbeitrag von Louis Shaffer, Distributed Energy Segment Manager EMEA bei Eaton

Die Zeit der fossilen Energieträger neigt sich langsam ihrem Ende entgegen, die Zukunft liegt vor allem in Wind- und Solarenergie. Doch wie stellen wir sicher, dass die Lichter nicht ausgehen, wenn Flaute herrscht oder Wolken aufziehen? Louis Shaffer, Distributed Energy Segment Manager EMEA bei Eaton, beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Versorgungsengpässe vermeiden lassen.

Erneuerbare Energien, besonders Wind- und Solarenergie, werden in der näheren Zukunft die Hauptlast unserer Stromerzeugung stemmen. Das hat rein ökonomische Gründe, da die Erzeugungskosten in diesen Bereichen weiter fallen werden. Sowohl Endkunden, als auch Netzbetreiber müssen diesen Aspekt im Blick behalten, da dies einen großen Einfluss auf die Dynamik der Energiewende hat.

Veränderungen, die über einen langen Zeitraum eine neue ökonomische Realität schaffen, werden exponentielle Veränderungen genannt. Dabei finden pro Jahr nur geringe Änderungen von wenigen Prozent statt, über eine Zeitspanne von 40 oder 50 Jahren können diese aber ganze Branchen komplett umkrempeln. Moore’s Law brachte zunächst nur bessere Desktop-PCs hervor; heute beschert es uns Smartphones, kostenlose Langstreckenkommunikation und unbegrenzte Rechenkapazitäten, die erst den Aufstieg von künstlicher Intelligenz ermöglichen. Ein solcher Wandel verläuft schleppend und bleibt oft für mehrere Jahre unbemerkt, so dass sein revolutionärer Einfluss vielfach unerkannt bleibt. Doch plötzlich erreicht der stetige Wandel eine kritische Phase, nämlich dann, wenn das Preisleistungsverhältnis einen bestimmten Punkt erreicht. Was man schon bei Mikrochips und Flachbildschirmen beobachten konnte sehen wir nun auch bei Solar- und Windenergie.

Ökologisch und wirtschaftlich

Die Erneuerbaren haben die Schwelle zur billigsten Energieform schon überschritten und heute bekommen Ökostromprojekte Zuschläge aus rein ökonomischem Kalkül und ganz ohne Subventionen. Bei neuen Projekten haben die alternativen Energien schon die Nase vorn, doch bald werden sie auch günstiger sein, als die Energieerzeugung mit bestehenden konventionellen Kraftwerken. Dadurch wird sich unser Energiemix sehr schnell verändern und bald wird sich ein Großteil unserer Stromversorgung aus variablen regenerierbaren Energiequellen speisen. Das hat große Auswirkungen auf die europäischen Versorgungssysteme, sowohl von Kunden- als auch Netzbetreiberseite. Um rechtzeitig regulierende Maßnahmen zu treffen ist es wichtig, die wirtschaftlichen Triebkräfte und das rasante Tempo hinter dem Wandel zu verstehen.

Eine aktuelle Wirtschaftsstudie von Bloomberg New Energy Finance im Auftrag von Eaton und der Renewable Energy Association (REA) analysiert diese Zusammenhänge. Dazu wurden detaillierte meteorologische und ökonomische Daten ausgewertet, die zeigen, dass einer der Wendepunkte auf dem Weg der Erneuerbaren zur dominierenden Energieform schon erreicht wurde. Die Studie untersucht auch, ob es noch weitere solcher Wegmarken geben wird.

Schon heute ist Wind und Sonnenenergie billiger, als Strom aus neuen Kohle- und Gaskraftwerken, sowohl in Großbritannien, als auch in Deutschland. Die Marktentwicklung lässt darauf schließen, dass Ende 2020 Ökostrom aus neuerrichteten Produktionskapazitäten sogar konventionelle Energie aus bestehenden Kraftwerken im Preis unterbieten wird.

„Der Wendepunkt: Flexibilitätslücken in zukünftigen erneuerbaren Energiesystemen in Großbritannien, Deutschland und Skandinavien“ macht deutlich, wie schnell sich neue Energiequellen vermutlich ausbreiten werden. Außerdem zeigt die Studie die Notwendigkeit von ausreichend flexiblen Erzeugungsarten sowie möglichst klimaneutralen Back-up-Systemen. Denn bei regenerativen Energien ergibt sich das Problem von saisonalen Engpässen. Daneben erwarten die Analysten ein Wachstum in den Bereichen Elektromobilität und Energiespeicherung.

Mit dem Einsatz erneuerbarer Energien wächst die Unsicherheit

Während ein Mix aus verschiedenen erneuerbaren Energien immer öfter eine immer größere Nachfrage stillen wird, werden gleichzeitig häufiger Probleme mit der Unbeständigkeit von Sonne und Wind auftreten. Zusätzlich zu tageszeitbedingten Schwankungen kommen noch längerfristige Abweichungen, die sich zu saisonalen Engpässen auswachsen. Für die konventionellen Kraftwerke, die das Back-up-System bilden, stellt das eine große Herausforderungen dar – Kern- und Kohlekraftwerke lassen sich nicht spontan binnen Stunden hoch- und herunterfahren.

Doch auch die Batteriespeichertechnologie verzeichnet gerade einen enormen Kostenrückgang, was nicht zuletzt auch auf die steigende Nachfrage nach mobilen Geräten und Elektroautos zurückzuführen ist. Die Technologie befindet sich im Reifestadium und wird vermehrt eingesetzt um Energieangebot und -nachfrage in Einklang zu bringen. Vorausgesetzt, dass Regierungen und Behörden die Netzregularien anpassen, damit zentrale und dezentrale Batteriespeicher entstehen können, sind die Voraussetzungen geschaffen, um der Unbeständigkeit des Wetters entgegenzuwirken und dabei gleichzeitig ein umweltfreundliches, stabiles und kosteneffizientes Stromnetz zu schaffen.

Sonne und Wind sind natürlich nicht das ganze Jahr über in der gleichen Intensität verfügbar, was zu den saisonalen Engpässen führt. Besonders wenn Wolken oder Nebel und Windstille zusammenkommen, wird ein Alternativsystem benötigt, um der Nachfrage gerecht zu werden. Trotz des massiven Anstiegs bei der Erzeugung erneuerbarer Energien wird die 2040 benötigte Back-up-Kapazität etwa der von 2017 (70 – 97 GW) entsprechen, wie die Studie zeigt. Solche großen Lücken lassen sich nicht mit aktuellen Stromspeichertechnologien bewältigen. Dafür sind weitere Maßnahmen nötig, wie Erdgaskraftwerke, Biogasanlagen oder Übertragungsleitungen über lange Strecken.

Eine andere Möglichkeit wäre, dem Beispiel der Nordischen Länder zu folgen, deren Energiesystem zu großen Teilen auf Wasserkraft setzt. Die Stromerzeugung aus Wasser unterliegt weniger wetterbedingten Schwankungen und kann Defizite bei Wind und Sonne ausgleichen. Die Flexibilität der Wasserkraftwerke erlaubt es außerdem Strom gezielt aus dem Norden nach Deutschland und Großbritannien zu exportieren, wenn dort erhöhter Bedarf besteht.

Die Wirtschaftlichkeit von variablen Erneuerbaren Energien macht das Wachstum dieses Sektors unausweichlich. Die Studie wirft einen ökonomischen Blick auf die Geschwindigkeit dieses Wachstums und die Flexibilität, die nötig ist, um unser Stromnetz aufrecht zu erhalten und effizient zu betreiben. Schneller als wir glauben werden die Erneuerbaren einen Punkt erreichen, an dem sie für uns unverzichtbar sind. Das bringt neue Herausforderungen mit sich, in Bezug auf Unbeständigkeit und jahreszeitbedingte Ausfälle.

Genaue Daten legen Chancen und Risiken offen

Die Studie zeigt detailliert den Zeitverlauf des Wachstums bei Sonnen- und Windenergie sowie die Engpässe und führt dann verschiedene Möglichkeiten an, um den neuen Dynamiken und Problemen zu begegnen. Beispielsweise ist ein reguläres Speichernetz nicht nur essentiell um mit den großen Schwankungen zurecht zu kommen, die der Einsatz erneuerbarer Energien hervorruft, es würde auch den Einsatz von Back-up-Kraftwerken effizienter machen, da es die Nachfrage verwaltet und so Systemkosten senkt. In der nächsten Phase der Studie, die im Laufe des Jahres erscheinen wird, will Eaton mit REA, Bloomberg New Energy Finance und anderen Partnern die Analyse potentieller Lösungen und Chancen noch ausweiten.

Eines ist sicher, der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten und regenerative Energien werden eine Schlüsselrolle in unserer Energieversorgung spielen. Um ein ausbalanciertes Wachstum dieser sauberen und günstigen Energiequellen in Kombination mit möglichst CO2-neutralen Back-up-Lösungen zu ermöglichen brauchen wir ein sorgfältig abgestimmtes Marktdesign. Die existierenden Batteriespeicherlösungen werden zusammen mit neuen Tools eine entscheidende Rolle bei der Energiewende spielen.

Weitere Informationen unter:
www.eaton.com