Digitaler Zehnkampf

Die Wirtschafts­welt wandelt sich radikal. Dabei sind die Chancen für neue Geschäfts­modelle noch nie so groß gewesen wie heute.

Smarte Produktion in der Industrie 4.0, Omni-Channel-Vertrieb im Handel und Big-Data-Analysen in Unternehmen. Nur drei Schlagworte, die zeigen, dass wir uns mitten im digitalen Wandel befinden, der jede Branche und jeden Bereich unseres Lebens erfasst. Merkwürdig nur, dass auf diese tiefgreifende Entwicklung hierzulande mitunter noch mit einer gehörigen Portion Beharrungsvermögen, dem Klammern an alte Gewissheiten der analogen Welt, reagiert wird. Derweil verschaffen sich agile vorwärtsdenkende Unternehmen Startvorteile im digitalen Zehnkampf. Ziellinie: Deutschland 2.0.

„Die digitale Evolution bietet die Möglichkeit zu einer grundlegenden Neugestaltung der Arbeitswelt“, stellt das Münchner Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) fest. „Immer mehr Unternehmen hierzulan­de erkennen die Notwendigkeit, sich neu zu erfinden. Sie begeben sich auf die Suche nach neuen Arbeitsformen, um die neuen Potenziale zu erschließen.“ Es sei unabweisbar, dass sich der digitale Umbruch, der zunächst vor allem die IT-Industrie erfasste, inzwischen auch in anderen Branchen vollziehe, be­tonen die Forscher. Jetzt würden die Wei­chen für die Entwicklung der Arbeitswelt neu gestellt. „Die Rolle, die das Maschinensystem für die Industrie des 19. und 20. Jahrhunderts spielte, wird der Informationsraum für die Unternehmen im 21. Jahrhundert einnehmen“, erklärt ISF-Wissenschaftler Dr. Tobias Kämpf. Der Wandel der Arbeitswelt betreffe Un­­ternehmen in allen Dimensionen: die Arbeitsorganisation, den Arbeitsplatz, das Verständnis von Führung und die Karrieregestaltung sowie das Verhältnis von Arbeit und Leben und die Unternehmenskultur. Arbeitsprozesse, Entwicklungsaufgaben, neue Geschäfts­modelle, Finanzierungsrunden – alles er­folgt in der neuen Wirtschaftswelt digital vernetzt. Zugleich hält die deutsche und europäische Gesetzgebung mit dieser Transformation nicht Schritt, was sich als Bürde erweist – gerade mit Blick auf die USA und China.


Trend: Beacons für die Kundenbindung

Mit Beacon wird die Bluetooth Low Energy (BLE) oder auch Bluetooth Smart Technologie bezeichnet. Im Grunde genommen ist dies eine Funktechnologie, die als eine Weiterentwicklung von Bluetooth verstanden werden kann. Im Geschäft erhält der Kunde persönliche Nachrichten auf sein Smartphone. Das macht auch den Handel hierzulande neugierig: Daten lassen sich zur Kundenbindung nutzen.

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Jean-Claude Juncker, EU-Kommission

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: „Ich wünsche mir paneuropäische Telekom­munika­tions­­netze und eine Gründungswelle bei innovativen europäischen Start-ups.“

Ungeachtet hervorragender Startbedingungen droht Europa ins Hintertreffen zu geraten. Das hat auch die EU-Kommission erkannt und versucht mit der kürzlich vorgestellten Strategie für einen digitalen Binnenmarkt gegenzusteuern. Dazu sind 16 Initiativen geplant, die bis Ende 2016 umgesetzt werden sollen. Um was es dabei geht, for­muliert Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker so: „Ich wünsche mir paneuropäische Tele­kommuni­kations­netze, grenz­über­schrei­­tende digitale Dienste und eine Gründungswelle bei innovativen europäischen Start-ups. Ich wünsche mir, dass alle Verbraucher die besten Angebote bekommen und alle Unternehmen im größtmöglichen Markt tätig werden können – gleich, wo sie sich in Europa befinden.“ Bei einem Wünsch-dir-was wird es nicht bleiben. Der Ruck, der durch das digitale Europa gehen soll, ruht auf drei Säulen. Erstens: einem besseren Zugang für Verbraucher und Unternehmen zu digitalen Waren und Dienstleistungen in ganz Europa. Zweitens: besseren Bedingungen für florierende digitale Netze und innovative Dienste. Drittens: der bestmöglichen Ausschöpfung des Wachstumspotenzials der digitalen Wirtschaft. Der Digitalverband BITKOM sieht darin mehr als eine wohlmeinende Absichtserklärung, nämlich „die historische Chance“ die europäische IT- und Telekommunikationsbranche international wettbewerbsfähiger zu machen und zugleich die Einheit Europas voranzutreiben.

„Die Digitalbranche kann Vorreiter für eine echte und umfassende europäische Wirtschaftspolitik werden. Es muss uns gelingen, dass Europa wieder Leitanbieter von und Leitnachfrager nach digitalen Technologien wird“ – Dieter Kempf

„Die Digitalbranche kann Vorreiter für eine echte und umfassende europäische Wirtschaftspolitik werden. Es muss uns gelingen, dass Europa wieder Leitanbieter von und Leitnachfrager nach digitalen Technologien wird“, stellt BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf dar. „Ein digitaler Binnenmarkt ist für die europäischen Unternehmen und vor allem für die vielen innovativen Start-ups von zentraler Bedeutung. Er bietet die Chance, auf einem großen Heimatmarkt schneller zu wachsen und sich im globalen Wettbewerb auf Augenhöhe mit Wettbewerbern aus den USA oder China bewegen zu können.“ Vor allem die Kommissionspläne, technische und recht­liche Barrieren zu besei­tigen, um damit für freie Datenflüsse in Europa zu sorgen, sind ein überfälli­ger Schritt. „Nur wenn Daten grenz­­über­schrei­tend ausgetauscht werden können, können Anwendungen wie Cloud-Computing, Big Data oder Industrie 4.0 in Europa erfolgreich sein“, unterstreicht Kempf.