Die digitale Evolution beginnt mit der ständigen Transformation. Die deutsche Wirtschaft braucht Anführer mit Neugier, Teamgeist und Perspektiven.

#Digitale Transformation

Die „digitale Transformation“ ist derzeit omnipräsent, soll alle Bereiche unserer Gesellschaft – von der Wissenschaft über Wirtschaft und Industrie bis in unser smartes Heim – immens beeinflussen und umkrempeln. Und das, obwohl ein digitales Signal nur zwei Zustände kennt: 1 oder 0, ja oder nein, nichts dazwischen, keine Abstufungen. Gleichwohl ist es die Reduzierung auf eben diese zwei Zustände, die schon in einigen Branchen für enorme Disruptionen gesorgt hat. Nehmen wir nur den Computer: In ihm läuft alles digital ab. Wer kennt noch Analogcomputer? Und das analoge Fernsehen gibt es nur noch im Kabel – rückgewandelt aus einem digitalen Signal – und wird wohl spätestens 2018 endgültig abgeschaltet. Auch die Telekommunikationsindustrie setzt auf „digital“.

Nun folgt die digitale Transformation „des großen Rests“, da die Digitaltechnik jetzt auch in den anderen Branchen Lösungen, Produkte, Prozesse und Verfahren ermöglicht, die erfolgreichere, neue Geschäftsprozesse und innovative Geschäftsmodelle versprechen (siehe auch die Reportagen zur „Digital Finance“, „IT-Logistik“, „Energieeffizienz“ sowie zum „Future Store“). Mit einher gehen allerdings jede Menge neuer Herausforderungen, die alles Althergebrachte, Starre auf den Prüfstand stellen.

Neue Unternehmens- und Führungskultur

Die Kraft der Digitalisierung wird auch die Führungsriegen nicht verschonen. Ideen von der demokratischen Führung, von flachen Hierarchien machen die Runde. Dazu gehört eine gehörige Portion Selbstreflektion. Moderne Führungskräfte sollten sich selbst und ihr Tun immer wieder neu hinterfragen, um die Fähigkeiten herausbilden zu können, die sie für die Gestaltung des digitalen Wandels brauchen. Der über allem stehende, allwissende Patriarch hat ausgedient. Schon allein, weil es einfach nicht mehr möglich ist, alles zu wissen, was wie und durch wen im modernen, digitalen Unternehmen vor sich geht.

Lösungen müssen her, mit deren Hilfe man sich schnell, einfach und unbürokratisch einen komplexen und dennoch kompletten Überblick über das aktuelle Geschehen im Unternehmen liefern lassen kann. Moderne Board­­room-Lösungen z. B. können mit durch­gängiger Prozessunterstützung Aufsichtsräten die Arbeit sehr erleichtern. „Die revisionssichere Protokol­lierung und Dokumentation aller Vorgänge gewährleistet die Nachvollziehbarkeit der Informations- und Ent­schei­dungsprozesse“, erklärt Brainloop-CEO Thomas Deutschmann. Dabei erfülle die Boardroom-Lösung seines Unternehmens höchste Sicherheitsstandards, sei einfach zu bedienen und könne, da cloudbasiert, innerhalb eines Tages bereitgestellt werden.

Neues Lizenzmanagement

Apropos cloudbasiert: Diese Software- und Infrastrukturservices werden die heutige IT-Nutzungskultur in den Unternehmen stark verändern. Dazu Prof. Dr. Gadatsch von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg: „Die IT-Leistungen vermischen sich zunehmend mit Business-Leistungen, der Unterschied zwischen IT und Business verschwindet immer mehr.“ Verbanden in der Vergangenheit Kunden mit „Lizenzierung“ lediglich softwaretechnische sowie lizenzrechtliche Fragestellungen und wurden Software- und Businessstrategie als getrennte Bereiche eingestuft und von verschiedenen Personen verantwortet, so könne man heute bedingt durch die „Verschmelzung von Software und Hardware sowie Serviceanteilen“ zu Cloud-Diensten im Rahmen von „Lizenzierung“ nun über Outsourcing durch die Hintertür sprechen. Der Eingriff in Unternehmensprozesse sei teilweise enorm, die Anbieterauswahl stark eingeschränkt und Service-Level-Agreements und Haftungsfragen könnten in der Regel nicht verhandelt werden. Hier wachse dem CIO eine ganz neue Aufgabe zu, die des Moderators, Beschaffers und Koordinators, der „als Schnittstelle zum Management das Thema ‚Softwarebeschaffung‘ unter den neuen Gegebenheiten auf Managementebene strategisch diskutieren und damit Innovationen ganzheitlich vorantreiben muss“, ergänzt Stefan Brassel vom Bechtle Systemhaus. Der Blickwinkel der Softwarebeschaffung müsse sich vom Einkaufsthema hin zum strategischen „Asset“ wandeln.

Digitalisierung steht und fällt mit den Mitarbeitern

Ute Riester: „Flexible Arbeits- und Lebenszeitmodelle müssen ebenso entwickelt werden wie neue Formen der Zusammenarbeit.“

Ute Riester: „Flexible Arbeits- und Lebenszeitmodelle müssen ebenso entwickelt werden wie neue Formen der Zusammenarbeit.“

Der Erfolg der digitalen Transformation hängt auch davon ab, wie es den Führungskräften gelingt, die Mitar­beiter auf diesem Weg mitzunehmen und dem demografischen Faktor ein Schnipp­chen zu schlagen. Denn, bei aller beteiligten Technik, sind es die Menschen, die die Prozesse leben. „Unternehmen müssen neue Wege gehen und mit größerer Flexibilität in einem mehr und mehr von den Bewerbern bestimmten Markt agieren“, weiß Ute Riester, Field Product Manager Client Solutions bei Dell. „Flexible Arbeits- und Lebenszeitmodelle müssen ebenso entwickelt werden wie neue Formen der Zusammenarbeit.“ Ihr Unternehmen hat diese Entwicklung frühzeitig erkannt und im Plan 2020 dem Verhältnis zu den Mitarbeitern einen besonderen Platz eingeräumt.

Große Aufmerksamkeit ist dabei der Vernetzung der Mitarbeiter, die mehr und mehr daten- und faktengetrieben agieren müssen, denen es aber egal ist, über welche Kanäle sie ihre Informationen erhalten, zu schenken. Self-Service-Analyse-Tools bieten hier ungeahnte Möglichkeiten, agil und risikofreudig aus Daten Werte zu schaffen. „Es ist die Aufgabe des Unternehmens top-down eine solche (Big)-Data-Analytics-Kultur zu etablieren, klare Erwartungen und Ziele zu definieren und den Erfolg zu messen“, erklärt Tom Becker, Sr. Director bei Alteryx.

3D-Druck und Industrie 4.0

Prof. Dr. Welf Wawers, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Prof. Dr. Welf Wawers, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Es ist nur logisch, dass die Digitalisierung auch neue Produkte hervorbringen wird. Ein in diesem Zusammenhang eher unterschätztes Produkt ist der 3D-Drucker, dem aber Prof. Dr. Welf Wawers von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ein großes Potenzial für die Industrie 4.0 zuspricht: „Mit ihrer extrem hohen Flexibilität ist die 3D-Drucktechnologie in der Lage, die von den cyber-physischen Systemen über das Internet der Dinge gesammelten Daten zur z. B. Beanspruchung, Nutzung oder Alterung eines Produktes direkt in entsprechende bauliche Optimierungen umzusetzen. Für jedes einzelne Produkt, wohlgemerkt… und zwar in der intelligenten Fabrik 4.0, zwei Straßenecken weiter.“ Die Herstellung eines Einzelstückes würde so genauso kostengünstig wie ein Bauteil aus der Massenproduktion, sodass sich die hochautomatisierte Produktion 4.0 auch wieder in Hochlohnländern lohnen könnte. Er ist sich sicher, dass die 3D-Drucktechnik, auch wenn sie die konventionellen Fertigungsmethoden nicht vollständig verdrängen wird, tiefgreifende Veränderungen auslöst.

Künstliche Intelli­genz, Roboter und Automatisierung

Zu den wichtigsten Digitaltrends gehört der Einsatz von Robotern in automatisierten Prozessen. So verspricht laut Detecon z. B. in der „klassischen“ robotereinsetzenden Branche, der Automobilindustrie, die Mensch-Roboter-Kooperation riesige Effizienzpotenziale. Kollaborative Roboter – sog. Cobots – lernen in kurzer Zeit selbst­ständig neue Arbeitsschritte und die jeweilige Interaktion mit dem humanen Kollegen. Sie können multifunktional eingesetzt werden – vom Anreichen einzelner Teile über die Maschinenbeschickung bis hin zur eigenständigen Montage. Sie agieren mobil und navigieren sicher und selbstständig durch die Montagestraße.

Neue Tätigkeitsfelder tun sich auch in der Papier- und Dokumentenverarbeitung auf. Hier nutzt die intelligente Automatisierung künstliche Intelligenz (KI), um unstrukturierte Daten aus frei formatierten Dokumenten erfassen und verarbeiten zu können. Das kann soweit gehen, dass die KI ein Schriftstück richtiggehend versteht. Bei der Lösung von Swiss Post Solutions ist es ein Softwareroboter, der die Dokumente bearbeiten, eine Antwort liefern oder einen Prozess zur Bearbeitung anstoßen kann – fehlerfrei und schnell. Die Frage ist nur, wie weit wird der Einsatz von Robotern gehen, inwieweit den Menschen obsolet machen? Es ist sicher nicht zu befürchten, dass in Zukunft alle Tätigkeiten von Robotern erledigt werden. Als Schreckgespenst taugt er aber allemal. Ihre Berechtigung wird die Robotertechnik immer dann haben, wenn es darum geht, den Menschen von stupiden, schweren, schmutzigen und gefährlichen Tätigkeiten zu befreien.

Prozessoptimierung der Supply-Chain

Digitale Daten sind auch der Schlüssel zur Optimierung der gesamten Vorgänge rund um die Lieferkette. Beim Process-Mining z. B. werden die digitalen Spuren genutzt, die jedwede Business-Aktivität im Unternehmen hinterlässt, um die tatsächlichen Prozesse darzustellen. Dass das nicht selten zu Aha-Erlebnissen führt, weiß man bei Celonis, denn die Realität entspricht oft nicht dem, was sich die Verantwortlichen vorgestellt hatten. Der Einblick in Echtzeit ermöglicht die Identifizierung von Abweichungen und Engpässen, das schnelle Reagieren auf diese und auch das Sicherstellen der Compliance. Die Zeit der Content-Management-Systeme ist gezählt, die Zukunft gehört den Digital-Experience-Plattformen, da sich die Geschäftsmodelle immer stärker in den digitalen Raum verlagern werden. Mit ihrer Hilfe können Inhalte aus beliebigen Quellen zusammengeführt, analysiert und anschließend personalisiert über jede digitale Plattform ausgeliefert werden.

Mit dem Ziel, den Mitarbeitern für ihre Arbeit eine optimal personalisierte Customer-Jour­ney über alle historisch gewachsenen Kanäle des Unternehmens wie z. B. verschiedene Websites, Blogs, Web­shops usw. hinweg zu liefern. Acquia, das sich selbst die Digital-Experience-Company nennt, setzt mit seinen Platform-as-a-Service-Lösungen auf die Open-Source-Software Drupal, für die klare Sicherheitsstandards existieren und die vom BSI geprüft wurde. So sind individuelle Lösungen möglich, ein Vorteil von Open Source.

Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Digitalisierung

Energieeffizienz durch Digitalisierung birgt „viel Potenzial für neue Geschäftsmodelle“, erläutert Michael Kuhndt.

Energieeffizienz durch Digitalisierung birgt „viel Potenzial für neue Geschäftsmodelle“, erläutert Michael Kuhndt.

Digitalisierung ohne Energieeffizienz und ohne Nachhaltigkeit macht keinen Sinn. Sie ist schon immer angetreten, Dinge und Prozesse effizienter, transparenter und damit auch nachhaltiger zu machen. Michael Kuhndt vom CSCP Centre sieht das so: „Die Digitalisierung hilft zu erkennen: Wo brauche ich Energie, was ist an Energie in meine Produkte geflossen, die ich hergestellt habe?“ Und weiter: „Wo sind die Warenströme, wo geht es hin, wo kommt es her, was steckt an Materialien drin, kann ich die wieder verwerten? Wie kann ich die Kreisläufe schließen und damit Ressourcen erhalten?“ Hier entstünden momentan mannigfaltig neue Geschäftsmodelle.

Eines davon heißt „Advanced Data Analytics“ und ist für den Mobilfunknetzbetreiber Telefónica ein wichtiges neues Geschäftsfeld geworden. Ziel ist es, aus den täglich erhobenen, gewaltigen Datenmengen Erkenntnisse zu gewinnen, die man beispielsweise Kom­munen und Verkehrsbetrieben zur Verfügung stellen kann und so – anonymisiert – nutzbar macht. „Viele Menschen sind z.B. in unseren Städten mit Stau und Luftverschmutzung konfrontiert“, führt Markus Haas, Chief Operating Office der Telefónica Deutsch­land Holding AG, aus. Deshalb suchten Verwaltungen nach Lösungen, um ihre Verkehrsplanung zu optimieren, und brauchten präzise Verkehrsdaten. „Mithilfe unserer Mobilfunkdaten kön­nen Verkehrsströme erfasst und die entsprechenden Schadstoffbelastungen abgeleitet werden“, so Haas. Basis sind anonymisierte Mobilfunkdaten, die im normalen Geschäftsbetrieb der Telefónica Deutschland ohnehin anfallen.

Geoinformations­systeme: Basis für digitale Dienste

Andere Unternehmen verwenden Geodaten. Sie bilden die Grundlage für die geografisch genaue Erhebung und damit gewinnbringende Verwertung der Daten. „Bei der Digitalisierung spielt heute insbesondere das ‚Wo‘ eine entscheidende Rolle“, bringt es Jürgen Schomakers, Geschäftsführer von Esri, auf den Punkt. „Location-basierte Lösungen eröffnen Unternehmen vollkommen neue Möglichkeiten. Sie stellen komplexe und oft überraschende Zusammenhänge übersichtlich dar, schärfen den Blick für neue Trends und Beziehungen und tragen als hochintegrative Plattform zum Erfolg IT-gestützter Pro­zesse bei.“ Logistikdienstleister profitieren nachweislich von diesen Entwick­lungen, denn Echtzeitinformationen aus unterschiedlichen Teilnehmerquellen (Fahrzeuge, Sensoren, Kameras) stel­len eingebunden in intelligente IT-Prozesse und in Verbindung mit raumbezogenen Informationen einen echten Mehrwert dar. Hier spielt das Internet der Dinge seine Qualitäten ganz besonders aus. Daneben erobern location-basierte Lösungen neue Branchen. Beispiel Finanzsektor: Durch die Anreicherung der Kundendaten mit ortsbezogenen Informationen könnten Kreditinstitute Risikobewertungen optimieren oder ungewöhnliche Finanzströme in Echtzeit abbilden.

„Aus der Analyse großer Datenmengen entstehen neue Lösungen für die Zukunft“, davon ist Markus Haas überzeugt.

„Aus der Analyse großer Datenmengen entstehen neue Lösungen für die Zukunft“, davon ist Markus Haas überzeugt.

Sharing Economy

Auch die sog. Sharing Economy und alles, was mit ihr zusammenhängt, spielt bei der digitalen Transformation eine wichtige Rolle. „Die Entwicklung geht weg vom ‚Haben‘ hin zum ‚Nutzen‘“, erklärt Michael Kuhndt. Das bekannteste Beispiel ist wohl das Car-Sharing. Erst ein Nischenthema, skaliere sich das Ganze mittlerweile. Und wenn das so gut klappt, warum es nicht mit anderen Produkten versuchen, z. B. mit Campingwagen, dachte sich Dirk Fehse und gründete die Sharing-Plattform PaulCamper. Denn die hohen Kosten, die sich durch Anschaffung, Erhaltung, Wartung, Reparaturen oder zusätzliche Ausstattungen ergeben, sind oft zu viel für einen einzelnen Camper. Hier greift das Sharing, denn mehrere Nutzer können diese jährlichen Kosten leichter erwirtschaften. „So wird das eigene Hobby nicht zur Kostenstelle, sondern zu einem Refinanzierungsprodukt“, weiß Dirk Fehse.

Ständige Transformation?

Die digitale Transformation ist angetreten, unser aller Leben und Arbeiten zu verändern. Ihr Siegeszug hat gerade erst begonnen. Kleine und mittelständische Unternehmen sind dabei besonders gefordert, sich den Veränderungen zeitnah zu stellen. Lernlabore werden benötigt, so Michael Kuhndt, für Unternehmen, kleine wie große, etablierte und Start-ups, sowie für die Gesellschaft. Damit man im Kleinen entwickeln, ausprobieren und auch Fehler machen kann. Und aus all diesen dezentral gesammelten Daten Regelwerke findet, die dann auf Bundesebene skaliert werden können. In diesem Zusammenhang deutet sich ein neues Unternehmertum an, Social Entrepreneur genannt, das mit seinen Entwicklungen rund um die Digitalisierung immer noch ein bisschen näher am Menschen ist.
Alles in allem: Die digitale Transformation wird uns nicht mehr loslassen. Obwohl: Das Wort Transformation ist hier trügerisch, meint es doch einen endlichen Vorgang, der irgendwann abgeschlossen sein wird. Die sog. digitale Evolution hingegen wird uns unser Leben lang begleiten und herausfordern. Es liegt an uns, sie zu einem Erfolgsmodell zu machen.

von Brigitte Kasper
b.kasper@trendreport.de

Bildquelle / Lizenz: Ute Riestert, Dell GmbH, Dr. Michael Kuhndt, SCP-Centre, Markus Haas, Telefònica

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