Demokratie des Geldes

Kryptowährungen werden sich als dauerhafte Alternative im bisherigen Finanzsystem etablieren. Mit ihnen entsteht ein neues Verständnis digitaler Zahlungssysteme.

Das Kernproblem konventioneller Währungen“, heißt es in einem Schreiben, das mit Satoshi Nakamoto signiert ist, „ist das Ausmaß an Vertrauen, das nötig ist, damit sie funktionieren.“

Ob es sich bei Satoshi Nakamoto um eine Einzelperson oder eine Gruppe handelt, ist zwar immer noch eines der ungelösten Rätsel unserer Zeit, gewiss ist jedoch der Verdruss des Pseudonyms gegenüber den Banken, die im Zuge der Finanzkrise Geld „in Wellen von Kreditblasen mit einem kleinen Bruchteil an Deckung“ verliehen.

Die „Markets in Financial Instruments Directive“ (MiFID II) ist nun zehn Jahre nach der Finanzkrise ein rund 7 000-seitiges Regelwerk, welches das Vertrauen wiederherstellen soll. Satoshi Nakamoto war da wesentlich schneller und schöpf­te bereits am 3. Januar 2009 die ersten 50 Bitcoin, den sogenannten „Block 0“ oder Genesis-Block. Dabei codierte er in die Coinbase auch eine aktuelle Schlagzeile der Tageszeitung The Times ein, die auf den zweiten Bankenrettungsschirm hinweist.

 

Smart Contracts, ICOs und Kätzchen

Lange Zeit spielten Bitcoin & Co. in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch kaum eine Rolle, ehe im letzten Jahr plötzlich ein Hype einsetzte. Während die Marktkapitalisierung des gesamten Kryptomarkts im Januar 2017 noch knapp 16 Milliarden Dollar betrug, beendete der Kryptomarkt seine unglaubliche Rallye im Januar 2018 bei über 800 Milliarden US-Dollar – dann kam der Absturz auf „nur noch“ etwa 276 Milliarden Dollar im Februar.

Marktkapitalisierung Bitcoin

Lange wurde der Bitcoin von der breiten Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen – dann kam 2017. Quelle: blockchain.info

Ein Grund für die unglaubliche Marktkapitalisierung ist, dass der Bitcoin längst nicht mehr die einzige Kryptowährung ist. Schon vor Ethereum, das seit 2015 gehandelt wird und mittlerweile die zweitgrößten Währung nach Marktkapitalisierung ist, gab es eine Vielzahl von Alternativen. Doch Ethereum brachte mit erweiterten Funktionen wie Smart Contracts eine neue Qualität in den Blockchaincode. Dadurch lässt sich eine vertragliche Regelung in den Code einschreiben. Sobald eine bestimmte Voraussetzung erfüllt ist, tritt die dazugehörige Vertragsklausel in Kraft.

Anwälte, Notare und andere Instanzen, die sonst die Einhaltung von Verträgen gewährleisten, werden durch die Smart-Contract-Technologie obsolet, da die Einhaltung automatisch gewährleistet wird. Unzählige Anwendungen, von der automatischen Vergütung für die Teilnahme an einer Umfrage über Auktionen bis hin zu komplexeren Programmen wie dem Spiel CryptoKitties, lassen sich so realisieren. Bei dem Spiel kann man für Einheiten der Kryptowährung Ether selbst lustige mehr oder weniger wertvolle Kätzchen züchten sowie über eine Börsenplattform kaufen und verkaufen.

Vor allem aber ermöglichen Smart Contracts, dass neue Kryptowährungen im Zuge eines „Initial Coin Offerings“ (ICO) einfach erschaffen und verkauft werden können. Die meisten neuen Kryptowährungen knüpfen ihre Token an das Versprechen einer konkreten zukünftigen Dienstleistung, die sich nur damit bezahlen lässt.

Selbst bekannte Unternehmen wie Kodak nutzen die Technologie und sammeln so in kurzer Zeit Millionenbeträge ein. Auf der Plattform KodakOne soll man für KodakCoins Bilder von Fotografen erwerben können. Mittlerweile gibt es über 1500 verschiedene digitale Währungen und Investoren hoffen wie zu Zeiten der New Economy, bloß nicht das nächste große Ding zu verpassen.

„Wer schon mal Geld ins Ausland überwiesen hat, weiß wie teuer und zeitaufwendig der Prozess sein kann.“

Weitere Gründe für den Kryptohype nennt Daniel Kühn von der Börse Go AG. Mit Kryptowährungen lässt sich wunderbar zocken und die abenteuerlichen Gewinne ziehen Millionen von Spekulanten an. Interessierte finden hierzu auch auf den Portalen GodmodeTrader und Guidants ein umfangreiches Angebot von simpler Kursversorgung samt Charthistorie über Know-how-Vermittlung bis hin zur Möglichkeit „Kryptos“ direkt zu handeln.

Ein anderer Anreiz für die digitalen Coins ist das „rebellische“ Argument der Unabhängigkeit von Zentralbanken und Staat. Darüber hinaus haben die digitalen Coins auch einen ganz praktischen Nutzen. „Transaktionen können sehr schnell, kostengünstig und sicher durchgeführt werden, unabhängig von der Entfernung zwischen Sender und Empfänger“, argumentiert Kühn. „Wer schon mal Geld ins Ausland überwiesen hat, weiß wie teuer und zeitaufwendig der Prozess sein kann.“

Zu guter Letzt versprechen Kryptowährungen eine gewisse Anonymität. „Zwar ist in der Bitcoin-Blockchain jede jemals getätigte Transaktion nachverfolgbar, aber wenn man nicht weiß, wer hinter den verwendeten Bitcoin-Adressen steckt, bleiben die Teilnehmer im Dunkeln. In diesem Sinne ist der Bitcoin pseudonym, während andere Kryptos sogar völlig anonyme Transfers ermöglichen.“

Eine dieser völlig anonymen Währungen ist der CloakCoin. Kritik, dass Kryptowährungen vor allem der Terrorfinanzierung und der Geldwäsche dienen, weist Harry Sidiropoulos entschieden zurück. Rückendeckung erhält er dabei ausgerechnet von einer gemeinsamen Studie des britischen Innen- und des britischen Finanzministeriums.

Sie untersuchten das Geldwäscherisiko verschiedener Zahlungsmit­tel. Kryptowährungen landen dabei, nicht zuletzt wegen ihrer Volatilität, auf dem letzten Platz der Rangliste, die vom Bargeld angeführt wird. Neben der Anonymität liegt eine weitere Besonderheit des CloakCoins in der Technologie hinter seiner Generierung, dem Proof-of-Stake-Verfahren.

 

Proof of Work vs. Proof of Stake

Bitcoins und viele andere „Altcoins“ (alternative Währungen) werden durch die Lösung hochkomplexer Rechenaufgaben erstellt. Mittlerweile werden dafür spezielle Computer mit teuren, extrem schnellen Prozessoren benötigt, welche eigens für diesen Zweck installiert werden.

Als Anreiz, die Anschaffungs- und Energiekosten auf sich zu nehmen, Coins zu erstellen und dadurch das Netzwerk zu betreiben, wurde das Proof-of-Work-Verfahren, besser bekannt als Mining, etabliert. Diesem Ansatz wohnen zwei Probleme inne.

Erstens: Mit jeder Transaktion steigt die Größe der Blockchain und damit auch der Energieaufwand zur Erzeugung eines Coins weiter an. Offizielle Zahlen und auch Schätzungen sind nur schwer möglich, da jeder Computer unterschiedlich effizient arbeitet. Die Bundesbank versucht es trotzdem und geht für die Abwicklung einer Transaktion von einem Verbrauch von 427 Kilowattstunden aus. Einer Energiemenge, die genüge einen durch­schnittlichen deutschen „Vier-Personen-Haushalt für mehr als einen Monat mit Strom zu versorgen.“

Zweitens: Die basisdemokratische Idee einer dezentralen Währung wird ad absurdum geführt. Das Monopol der Zentralbanken mit dem Recht der Geldschöpfung wird damit zwar umgangen. Dafür liegt es jetzt bei den großen Minern, die dafür eine rentable Vergütung erhalten.

Das Proof-of Stake-Verfahren hingegen gilt als wesentlich umweltfreundlicher: Hier werden Coins nicht durch energieintensive Rechenleistungen generiert, sondern durch die Menge der Coins, die ein User hält. Die Geldschöpfung wird damit demokratisiert, denn beim „Staking“ erhält jeder Besitzer von Coins einen festen Zinssatz auf seinen Bestand.

 

Geld aus der Crowd

Einen „demokratischen“ Ansatz verfolgt auch das Crowdlending, das eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie wie Kryp­towährungen erlebt. Während Christopher Grätz, CEO und Mitgründer der kapilendo AG, vor zwei Jahren noch erklären musste, was darunter überhaupt zu verstehen sei, ist es mittlerweile in der Gesellschaft angekommen.

Deutlich wird die entstandene Popularität beim Blick auf den Ausfinanzierungszeitraum. „2016 dauerte eine Finanzierung auf unserer Plattform noch ungefähr 43 Tage, heute sind es gerade mal 5 Tage“, berichtet Grätz. „Bei kleineren Betriebsmittelfinanzierungen, die zwischen 25 000 und 100 000 Euro liegen, sogar oftmals nur Sekunden.“

Während die Niedrigzinspolitik der Euro­­­päischen Zentralbank viele Anlageformen unattraktiv macht, ist das Crowdlending eines der wenigen Segmente, das nicht durch das expansive Anleihekaufprogramm der EZB verzerrt ist. Über die kapilendo-Platt­form investier­en die Anleger direkt in geprüfte deutsche Unternehmen. In Form von Zinsen haben die Anleger so Teil an deren Wertschöpfung und Erfolg.

„Im Detail heißt das“, erläutert Grätz, „dass die Crowd ihr Kapital für einen festen Zeitraum und gegen einen festen Zins zur Verfügung stellt. Die Laufzeiten liegen zwischen ein und fünf Jahre – wobei bereits quartalsweise während der Laufzeit oder am Laufzeitende bedient wird.“

 

PSD2

Zusätzlichen Rückenwind erhalten FinTechs durch die sogenannte PSD2-Richtlinie, die nur zehn Tage nach MiFID II am 13. Januar dieses Jahres in Kraft trat. Sie soll für Verbraucher das Banking bequemer, billiger und sicherer machen und vor allem den Wettbewerb zwischen Banken und Finanzdienstleistern stärken. Konkret heißt das, dass künftig Zahlungsdienstleister und Kontoinformationsdienste auf das Bankkonto zugreifen können, sofern diesen die Erlaubnis des Kontoinhabers erteilt wurde.

Ein ganzes Ökosystem an FinTech-Zusatzdiensten wird dadurch ermöglicht. Vergleichsportale können beispielsweise gezielt darauf hinweisen, für wen sich der Wechsel einer Versicherung, des Strom- oder Internetanbieters lohnt. Kreditanbieter informieren über die Zweckmäßigkeit einer Umschuldung u.v.m. Das Problem des Vertrauens, welches der ominöse Satoshi Nakamoto aufwarf, wird durch die neue Richtlinie allerdings noch einmal ausgedehnt.

 

Vertrauen als Kernkompetenz

Eine andere Perspektive in Bezug auf den Vertrauensbegriff hat Gerd Müller von der Fiducia & GAD IT AG. Er sieht darin nicht das größte Problem, sondern vielmehr die größte Chance für Banken. Das größte Versprechen der Blockchain-Technologie sei die digitale Echtheit durch ihre hohe Transparenz.

Oftmals werden diese Attribute fälschlicherweise mit Vertrauen gleichgesetzt, doch „Vertrauen wird nicht alleine durch Zertifizierung begründet“, so Müller. „Es benötigt auch ein hohes Maß an persönlicher Interaktion.“ Das Schließen dieser Lücke zwischen der digitalen und der echten Welt sei die Aufgabe der Banken.

Im Zuge der neuen technologischen Möglichkeiten hieße das für Banken „raus aus der Komfortzone“ und innovative „digitale Dienstleistungen in einem vertrauenswürdigen, sicheren und transparenten Ökosystem zur Verfügung zu stellen“. Dabei kann ausgerechnet die Blockchain, jene Tech­nologie, die mit der Anti-Bank-Währung Bitcoin ihren Siegeszug begann, „der Impuls sein, die Chancen dieser Veränderung zu ergreifen.“

 

 

1 Antwort
  1. Lukas
    Lukas sagte:

    Spannend! Einiges hat sich seit der Veröffentlichung vom Artikel schon getan, anderes ist nach wie vor sehr aktuell. Dass der Bitcoin Kurs nach seinem Absturz Anfang 2018 erneut in ungeahnte Höhen klettern würde, habe ich damals zwar gehofft, aber wirklich sicher war ich mir nicht. Was ich momentan hingegen etwas kritisch sehe ist, dass Bitcoin wohl auch weiterhin auf Proof of Work basieren wird. Und das, obwohl kurzzeitig schon über ein Verbot des Verfahrens diskutiert wurde. Wenn man nicht gerade einem großen Mining Pool angehört, hat man beim Minen eigentlich gar keine Chance mehr. Proof of Stake ist zwar energieeffizienter und ich begrüße es, dass zum Beispiel Ethereum zu diesem Verfahren wechseln wird. Nachteil ist in meinen Augen aber, dass diejenigen, die große Anteile der Gesamtmenge der Coins haben, auch sehr viel Einfluss auf das Netzwerk ausüben können. In dieser Hinsicht finde ich Kryptowährungen wie Idena, die auf Proof of Personhood basieren, vorteilhafter. Was sich letztendlich durchsetzen wird, wird man sehen. Ich glaube aber, dass nicht nur Energieeffizienz eine Rolle spielen wird, sondern dass die Mehrheit der Menschen es auch fairer fände, wenn die Stimmen aller Einzelpersonen gleich viel wert wären. Ohne dass man einem Mining Pool angehören muss oder das Glück haben muss ein früher Investor einer Kryptowährung gewesen zu sein.

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