Customer Centricity: Real, digital, international

Internationalisierung: Der Handel der Zukunft schafft neues Wachstum. Wer sein Unternehmen erfolgreich in neuen Märkten etablieren will, muss seine Zielmärkte kennen.

Wer einen Webshop betreiben kann, für den ist theoretisch die ganze Welt Kunde. Soweit auf dem Papier. Will heißen: Internationalisierung ist, abseits von Amazon und Co., auch für mittelständische Handelsunternehmen eine gewaltige Wachstumschance und eindeutig ein Zukunftsmodell. Die Digitalisierung öffnet den Weg zur Ausgestaltung internationaler Aktivitäten für den Handel der Zukunft. Dabei sind allerdings zahlreiche Faktoren zu beachten und ebenso viele Fallstricke zu umgehen. Auf diesem Feld hat sich ein Ökosystem von IT-Anbietern etabliert. Mit ihren Lösungen unterstützen sie Handelsunternehmen darin, Digitalisierung und Internationalisierung mit Erfolg voranzutreiben.

Um die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen, müssen zunächst einmal die passenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hier sind Wettbewerbs-, Netz-, Standort- und Verbraucherpolitik gefragt – auf nationaler wie auf europäischer Ebene. Es bedarf neuer Regeln, damit der Handel wirklich in der Zukunft ankommt. Nur so können Handelsunternehmen die im Zuge der Digitalisierung entstandenen Möglichkeiten optimal nutzen.

Eine aktuelle Studie „Trends im Handel 2025“ von EHI, HDI, Kantar TNS (ehemals TNS Infratest) und KPMG nimmt die wichtigsten Entwicklungen in der Handels- und Konsumgüterbranche in den Blick, die für die kommenden zehn Jahre als wesentliche Treiber fungieren dürften. Sie basiert auf einer deutschlandweit repräsentativen Befragung von mehr als 1 000 Konsumenten. Demnach gibt es keinen Bereich innerhalb einer Handels-Organisation, dessen Funktionsfähigkeit nicht entscheidend vom Technologieeinsatz beeinflusst würde. Wenn die IT früher eine in sich geschlossene Abteilung mit Dienstleistungsfunktion war, so sei heute eine enge Verzahnung mit allen Fachbereichen erforderlich, insbesondere im Marketing, sowie im Ladenbau, Expansion, Logistik und im E-Commerce.

Kommunikation, Organisation und Prozesse werden digital

Digitale Techniken verändern also gleichsam Kommunikation, Organisationsstruktur und Prozesssteuerung von Handelsunternehmen. Mit dem Ergebnis, dass ihr Einsatz heute ent-scheidend zum Erfolg jedes Handelsunternehmens beiträgt. Stationäre Händler, die bereit sind, die digitale Transformation anzunehmen und die Möglichkeiten der Online-Welt geschickt mit ihren ureigenen Vorteilen des stationären Handels zu verknüpfen, können durchaus auch in Zukunft neben dem Onlinehandel bestehen. Denn die Digitalisierung ermöglicht es ihnen, das Einkaufserlebnis für die Kunden noch passender und komfortabler zu gestalten.

Die Bandbreite ist groß. Sie reicht von der Ansprache im Store – über Bildschirme, Radio, per App oder digitale Schilder, über die intelligente Vernetzung von smarten Geräten aus dem Internet der Dinge mit Daten und der Warenwirtschaft (Stichwort Industrie 4.0) – bis zur Entwicklung von Loyality-Programmen und Location-based Services für mobile Endgeräte. KPMG identifiziert als derzeit wichtigsten Trend den Omnichannel, gefolgt von mobilen Anwendungen / Geräten, Big Data / Analytics, Cloud-Computing und mobilen Bezahlmethoden.

Mit digitaler Transformation zum Omnichannel-Center

Nicht nur im B2B-, auch im B2C-Geschäft verlieren nationale Grenzen an Bedeutung. Je stärker Handelsunternehmen aus ihrer lokalen Verortung heraustreten und auf internationale Märkte drängen, desto wichtiger wird es für sie, die unterschiedlichen Vertriebskanäle gleichrangig zu behandeln. Mit Omnichannel-Strategien beschäftigt sich zum Beispiel die Avaya Deutschland GmbH. Deren Customer-Engagement-Lösung soll eine nahtlose Kombination digitaler Kundenerlebnisse erlauben. Dafür wird eine große Anzahl von Informationsquellen zum Kunden ausgewertet, die im Callcenter zusammenfließen: E-Mail, Web-Chat, Instant Messaging, SMS/Text, Social Media und Video. Eingesetzt in Call Centern, vermittelt die Lösung den Agents eine 360°-Kundensicht. Sie können den Kunden dadurch individuell begleiten und mit ihm in Echtzeit kommunizieren. „In der modernen digitalen Welt fordern und erwarten Kunden eine konsistente und reibungslose Erfahrung, die sich über mehrere Kontaktpunkte erstreckt, sowohl auf physikalischer als auch auf digitaler Ebene“, erklärt Wolfhart Krischke, Geschäftsleiter Avaya Deutschland GmbH. So wird das Callcenter zum Omnichannel-Center.
Wer neue Märkte besetzen will, muss sich über diese erst einmal informieren.

Big Data im stationären Handel

Big Data: Jens Lappoehn analysiert große und kom­plexe Datenmengen für den Handel.

Big Data: Jens Lappoehn analysiert große und kom­plexe Datenmengen für den Handel.

Auf internationalem Parkett kommt da einiges an Informationsmengen zusammen, über potenzielle Kunden und Standorte, gesetzliche Vorschriften, Zoll-Bestimmungen usw. Die IT kann helfen, um aus diesem Big-Data-Bestand für das eigene Unternehmen wertvolle Informationen zu generieren. Gleichwohl verfügt nur gut ein Drittel der Unternehmen in Deutschland über eine Strategie zur Umsetzung konkreter Big-Data-Maßnahmen, der Handel liegt hier mit 37 Prozent im Mittelfeld (Quelle: © Mit Daten Werte schaffen 2016, KPMG, 2016 ). Am Beispiel Big Data lässt sich gut aufzeigen, wie sich der stationäre Handel ein Instrument der neuen digitalisierten Welt zunutze machen kann. Im Vergleich zu anderen Vertriebskanälen verfügt er über den großen Vorteil, Produkte erlebbar zu machen. Onlinehändler dagegen haben enormes Wissen darüber aufgebaut, wie der Kunde individuell anzusprechen ist. Grundlage dafür sind umfangreiche Datensammlungen über Verweildauer und Klickbewegungen auf ihren Shops. Der stationäre Handel hat dieses Wissen und diese Möglichkeiten in der Regel noch nicht. Eine strukturierte Zusammenführung von Informationen aus unterschiedlichen Datenquellen kann dem Händler vor Ort allerdings eine ähnliche Wissensbasis verschaffen, wie sie der Onlinehandel jetzt schon nutzt. „Genau an dieser Stelle kommt die intelligente Analyse von großen, komplexen und zunächst unstrukturierten Datenmengen zum Einsatz – das leistet Big Data für den Handel“, so Jens Lappoehn, Geschäftsführer von Telefónica Next. Die Tochter des Telekommunikationsdienstleisters untersucht – unter Beachtung aller Regelungen des deutschen Datenschutzes – anonymisierte Mobilfunkdaten für Handelsunternehmen. Durch die Analyse solcher Daten – auch in Kombination mit anderen Datenquellen – lassen sich Bewegungsströme vor und selbst in Geschäften statistisch exakt berechnen; man kann zum Beispiel alters- und geschlechtsspezifisch herausfinden, aus welchem Einzugsgebiet die Menschen ein Geschäft aufsuchen und welche Routen oder Verkehrsmittel sie dabei bevorzugen. So hilft Big Data Händlern, ihren Kunden einen optimalen Service sowie ein besseres Einkaufserlebnis anzubieten und die komplette Customer Journey abzudecken.

Den Weg ins Ausland planen mit Lokalisierungsservices

Internationalisierungsstrategien gewinnen durch die Digitalisierung an Fahrt und lassen sich mit den richtigen Tools effektiver und schneller umsetzen. Um nicht am Kunden vorbei zu expandieren, brauchen Unternehmen die passenden Strategien und Lösungsansätze. Lokalisierungsservices zum Beispiel.

Wer nicht am Kunden vorbei expandieren will, braucht passende Lösungen.

Der Daten- und Kommunikationsspezialist Pitney Bowes hat sich gefragt, was Unternehmen für eine internationale Expansion benötigen und daraufhin spezielle Geo- und Location-Services entwickelt. Auch in diese fließen wie­derum Big-Data-Bestände ein, die das Unternehmen für seine Kunden zusammenträgt, d. h. die Bestände zum Teil kauft, aber auch selbst durch Kombination von Datensätzen bildet. Nach Analyse des Datenmaterials lässt sich dann zum Beispiel besser entscheiden, wo denn am neuen Standort die ersten Läden eröffnet werden sollten.

Bei Pitney Bowes sind solche Store-Planning-Konzepte Teil des Location-Intelligence-Lösungsportfolios. Dabei geht es nicht nur um Vertriebs­standorte, sondern es können auch Servicepunkte, Werkstätten oder Materiallager sein. „Konkret errechnen wir für einen Kunden zum Beispiel mittels Fahrzeit-Analysen alle Standorte in Tokio, an denen der Händler innerhalb einer Fahrzeit von 20 Minuten zum Store maximale Kaufkraft ziehen kann“, erklärt Marc Hirtz, Vice President Continental Europe von Pitney Bowes. Standort-Planungen, -Analysen und Szenario-Modellierungen sind dann mit speziellen Softwarewerkzeugen des Anbieters möglich. Je mehr über den Kunden und seine Bedürfnisse in Erfahrung gebracht wird, desto besser kann ein Unternehmen seine Lieferketten daraufhin abstimmen. Die Aufgabe lautet, ein funktionsübergreifendes und ganzheitliches Supply Chain Management zu etablieren. Organisation, Controlling, Informationsmanagement und digitale Techniken werden dabei eng integriert, um eine effiziente Ausführung und Planung der Logistik zu ermöglichen.

Internationalisierung als Erfolgsturbo

Nicht nur für Handelsunternehmen ist Kundennähe ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Besonders eindrucksvoll belegt das die Qoniac GmbH – ein junges, stark wachsendes Hightech Unternehmen aus Dresden, das Software für führende Halbleiterfabriken weltweit herstellt.

Die Qoniac-Lösungen werden in Hochvolumen- sowie F & E-Fabriken in den USA, Asien und Europa eingesetzt. Lokale Niederlassungen sind für die Dresdner daher essenziell. „Insbesondere in Asien wollen Kunden sich vornehmlich mit lokalen Vertretern austauschen“, weiß Dr. Adwin Timmer, CEO Qoniac GmbH. Durch die Konzentration auf Kundennähe konnte das Hightech-Unternehmen in den letzten vier Jahren ein Wachstum von über 2 500 Prozent verbuchen. Um die richtigen Mitarbeiter zu lokalisieren und zu integrieren, setzt das Softwarehaus vor allem auf sein Netzwerk innerhalb der Halbleiterindustrie in Europa, Asien und den USA. Im Sinne der digitalen Transformation nutzt Qoniac technische Möglichkeiten wie Skype-Konferenzen und Bereitstellung von Informationen über die Cloud, um die eigene Internationalisierungsstrategie zu unterstützen.

Internationalisierung ist nicht nur Wachstumsbeschleuniger, sondern vor allem eine nachhaltige Investition in die Zukunft des Unternehmens. Neben organisatorischem Geschick bedarf es dabei auch interkultureller Kompetenz „Natürlich sind der Verkaufsprozess und die Verhandlungskultur in Asien ganz anders als in Europa, darauf muss man sich einstellen“, so Timmer.

von Frank Zscheile

Bildquelle / Lizenz Jens Lappoehn: Telefònica NEXT

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