F&E 4.0: Agil

Im letzten Teil unserer Interviewreihe zur F&E 4.0 erläutern Dr. Armin Schulz und Dr. Stefan Wenzel, wie Agilität auch die Entwicklungsabteilungen beeinflusst. In der konkreten Projektsteuerung sollten sich Unternehmen auf jeden Fall auf unternehmensweite Begrifflichkeiten einigen und diese konsequent verwenden – damit ein einheitliches Commitment entsteht.

Herr Dr. Schulz, was bedeutet für Sie „agile Produktentwicklung“?
Agile Produktentwicklung bedeutet vor allem die Fähigkeit sehr flexibel zu sein. Es bedeutet, die Fähigkeit zu haben, komplexe Produkte erfolgreich zu entwickeln, auch wenn die Anforderungen am Anfang noch sehr unklar sind. Agile Entwicklung wird oft damit verwechselt, schneller oder effizienter zu sein. Das ist unserer Erfahrung nach nicht zwingend der Fall. Der eigentliche Mehrwert entsteht durch die Flexibilität unter unklaren und sich verändernden Rahmenbedingungen. Zudem wird mit solchen Ansätzen das Produkt in der Regel kontinuierlich weiterentwickelt und immer wieder mit neuen Features angereichert. Ein Produkt, das einmal im Markt ist, veraltet somit nicht, sondern wird sehr lange auf einem aktuellen Niveau gehalten (up-to-date). An der Entwicklung beteiligte Teams sind typischerweise direkt verantwortlich und müssen für Entscheidungen nicht ständig die Hierarchie hinzuziehen, sondern können direkt und schnell entscheiden. Das führt zu einem sehr hohen Commitment hinsichtlich Lieferversprechungen und Eigenverantwortung. Ein agiles Team im eingeschwungenen Zustand wird sich in der Regel an seine Lieferzusagen halten. Agile Produktentwicklung bedeutet aber nicht nur agile Teams, sondern auch eine agile Kultur und ein anders Führungsverständnis. Führungskräfte sehen sich nicht mehr als die finalen, hierarchischen Entscheider, sondern eher als diejenigen, die bestmögliche Rahmenbedingungen für die Teams schaffen und über die Prioritäten hilfreiche Leitplanken setzen.

Herr Dr. Wenzel, welche Rolle und Bedeutung haben agile Methoden und Ansätze im Kontext einer F&E 4.0?

Dr. Wenzel:

Dr. Wenzel: „Die Herausforderung liegt in der Fähigkeit, agile Arbeitsweisen zu skalieren.“

Agile Methoden und Arbeitsweisen sind absoluter Standard in der F&E 4.0. Die Herausforderung für etablierte Unternehmen liegt in der Fähigkeit agile Arbeitsweisen zu skalieren und gleichzeitig klassische Produktentwicklung, wie Systems Engineering zu beherrschen und sinnvoll zu kombinieren. Nehmen wir die individuelle Mobilität von morgen. Jeder erwartet hier topaktuelle Dienstleistungen, eine hohe Kontinuität seiner digitalen Gewohnheiten aber auch bitteschön absolut sichere und bezahlbare autonome Fahrzeuge. Solche komplexen Systeme lassen sich nicht nur rein agil entwickeln und nachweisen.

Wie können in der F&E agile Entwicklungsprozesse eingeführt werden?
Das kommt drauf an, wie schnell und radikal der Wandel auf Grund der Markt- und Wettbewerbssituation vollzogen werden muss. Wir empfehlen klassischen Unternehmen in der Regel ein gestuftes und agiles Vorgehen auch bei der Einführung. Es kommt für die Unternehmen, die Mitarbeiter, Partner aber vor allem auch die Führungskräfte oft darauf an, das agile Arbeiten und Führen zu Beginn erst zu erlernen, zu erproben und Erfahrungen damit zu sammeln. Ohne diese Erfahrungen und den offenen Austausch darüber wird eine Einführung oft nur mit hohem Druck und Fehlleistung erfolgen. Für eine nachhaltige Veränderung der Arbeitsweisen bedarf es in der zweiten Phase dann allerdings auch grundsätzlichen, organisatorischen Neuausrichtungen und Entscheidungen bis hin zu einer agilen Unternehmenssteuerung.

Herr Dr. Schulz, was ist der Nutzen einer unternehmensweiten Implementierung agiler Ansätze?

Dr. Schulz:

Dr. Schulz: „Der Vorteil einer unternehmensweiten Implementierung agiler Ansätze ist sicherlich, dass damit eine gemeinsame Kultur etabliert wird.“

Ich bin kein Freund dogmatischer Ansätze. Nur weil in Teilbereichen dieser Ansatz und in anderen jener Ansatz seine Vorteile hat, heißt das nicht, dass alle zwingend danach arbeiten müssen. Vielmehr habe ich gute Erfahrungen mit dem „besten aus beiden Welten“ gemacht. Das fordert eine Organisation aber stärker heraus, als ein einheitlicher Ansatz der „durchgezogen“ wird. Die Organisation muss sich so immer die Frage stellen: „Welcher Ansatz ist für den jeweiligen Fall am besten geeignet?“ Das macht es komplexer und erfordert eine grundlegende Urteilsfähigkeit, die gegeben sein muss. Der Vorteil einer unternehmensweiten Implementierung agiler Ansätze ist sicherlich, dass damit eine gemeinsame Kultur etabliert wird. Alle verstehen damit den agilen Ansatz und die zu Grunde liegenden Prinzipien. Die Zusammenarbeit wird vereinfacht, weil nicht nach unterschiedlichen Ansätzen gearbeitet wird. Es gibt keine „neue“ und „alte“ Welt, keine zwei Welten die miteinander „konkurrieren“. Der größte Mehrwert ist bei einer flächigen Implementierung sicherlich die für die Gesamtorganisation entstehende Flexibilität. Vollständig agile Organisation können in der Regel besser mit Unschärfe umgehen und darauf reagieren.

Was sind kritische Erfolgsfaktoren und Top-Risiken in der agilen Skalierung und Transformation der F&E?
Wir beobachten immer wieder, dass die Umsetzung agiler Ansätze vom Management in die Organisation delegiert wird. Erfahrungsgemäß funktioniert eine Einführung agiler Ansätze aber nur dann nachhaltig und flächig, wenn echtes Commitment auf Top Management Ebene vorhanden ist, mit allen Konsequenzen. Das hört sich platt an, ist aber wirklich ein wesentlicher Faktor. Die grundlegende Veränderung, die mit dem agilen Ansatz einhergeht, kann nur funktionieren, wenn sich alle ändern. Zudem darf der agile Ansatz nicht als neues Dogma verstanden werden, das sozusagen das alte Dogma ersetzt. Agil ist kein „silver bullet“, dass plötzlich alles löst, was bisher problematisch war, sondern muss sehr gezielt und sehr bewusst eingesetzt werden. Es kann durchaus Bereiche geben, in denen agil nicht zielführend ist und man mit den bisherigen Herangehensweisen besser fährt. Viele Unternehmen versuchen auch, sich agiles Arbeiten auf autodidaktische Weise beizubringen. Hier ist es jedoch wirklich sinnvoll, auf Expertise von außen zurückzugreifen, um Fehler, die andere schon gemacht haben, zu vermeiden und die bereits vorhandenen Erfahrungen zu nutzen. Zudem sehen wir immer wieder, dass agil mit sehr überhöhten Erwartungen versehen wird. Alles wird damit plötzlich schneller, kostengünstiger und flexibler und das am besten noch innerhalb weniger Wochen. Die Einführung von agil muss unbedingt als längerfristiger Lernprozess angelegt werden, der nicht über Nacht Erfolge und Wirkung erzielt. Ausdauer und die Fähigkeit mit Rückschlägen umzugehen sind gefragt, ebenso wie die Fähigkeit den Ansatz auf Basis der Erfahrungen anzupassen. Es gibt keinen „Blueprint“, den man hierfür aus der Schublade ziehen kann.

Die Veranstaltung im Fokus

Worum geht es auf der F&E Leitkonferenz 2019?
Die F&E Leitkonferenz 2019 steht unter dem Thema „F&E 4.0 – smart, agil und flexibel?“.
Im digitalen Zeitalter ist Industrie 4.0 der Sammelbegriff für hochvernetzte und intelligente Unternehmen, die digitale Schlüsseltechnologien nutzen, um erhebliche Wettbewerbsvorteile zu erwirtschaften. Wie wird in diesem Kontext die F&E 4.0, eine hochvernetzte und intelligente F&E der Zukunft aussehen?
Im Zentrum der Fachvorträge und Diskussionen stehen folgende Kernfragen:

  • Welche Rolle spielen agile Ansätze in einer F&E 4.0? Sind diese das neue Paradigma?
  • Welche Potenziale eröffnen digitale Schlüsseltechnologien wie künstliche Intelligenz u. a. für eine F&E 4.0?
  • Welche klassischen Ansätze werden bestehen bleiben, welche neuen Ansätze werden dazukommen?
  • Welche Bedeutung werden Agilität, Flexibilität und „Smartness“ haben?

Welche Fachexperten konnten Sie für Ihre Schwerpunkt-Vorträge gewinnen?
Für unsere F&E Leitkonferenz 2019 konnten wir hochkarätige F&E-Experten führender Unternehmen gewinnen. Besonders ist dabei der breit gefächerte Branchenmix. Wir freuen uns unter anderem Andreas Hille (Executive Vice President für den Bereich Product Management und Engineering der Palfinger AG), Dr. Andreas Goppelt (CTO des Medizintechnikherstellers Ottobock SE & Co KGaA), Dr. Tobias Abeln (CTO der EOS GmbH, dem führenden Technologieanbieter für industriellen 3D-Druck) sowie Dr. Markus Braunsperger (CTO des weltweit größten Motorradherstellers Hero MotoCorp Ltd) als Referenten begrüßen zu dürfen. Die aktuelle Übersicht über alle Referenten wird kontinuierlich auf der Konferenz-Website bereitgestellt.

Welche Besucherzielgruppen sprechen Sie an und wen trifft man so auf der F&E Leitkonferenz 2019?
Die F&E Leitkonferenz richtet sich an hochrangige Führungskräfte und Entscheider der F&E aus Hochtechnologiebranchen wie Automobil, Nutz-/Schienenfahrzeuge, Luft-/Raumfahrt/Verteidigung, Maschinen-/Anlagenbau, Elektronik, Consumer Electronics, Telekommunikation, IT und Software, Energie/Utilities und Health Tech.

Was erwartet die Besucher der F&E Leitkonferenz 2019?
Auf der F&E Leitkonferenz 2019 wollen wir den State-of-the-Art und die zukünftigen Herausforderungen der F&E einer kritischen Betrachtung und Diskussion unterziehen. Gemeinsam mit anderen Top Entscheidern und Führungskräften aus der F&E wollen wir Impulse geben, intensiv diskutieren und Antworten liefern auf die drängenden Fragen zur Zukunft der F&E.

Wie können sich Unternehmen an der F&E Leitkonferenz 2019 beteiligen?
Unternehmen können sich durch die Anmeldung und damit die aktive Teilnahme ihrer F&E Führungskräfte an der F&E Leitkonferenz 2019 beteiligen.

Und welche Vorteile haben die Teilnehmer davon?
Die Vorteile für die Teilnehmer der F&E Leitkonferenz lassen sich in drei Aspekte gliedern:

  1. Am Puls der F&E: Die 3DSE F&E Leitkonferenz ist Deutschlands einzige Digitalisierungs-Konferenz mit Fokus auf Forschung und Entwicklung. Welche Auswirkungen haben die Facetten der Digitalisierung und Vernetzung speziell auf die F&E? Genau hier setzt die 3DSE F&E Leitkonferenz an und unterzieht den State-of-the-Art der F&E einer kritischen 360 Grad Betrachtung im Spiegel aktueller und zukünftiger Herausforderungen.
  2. Networking über Branchengrenzen hinweg: Wie werden digitale Herausforderungen in der F&E anderer Branchen angegangen? Welche Best Practices lassen sich auf die eigene Branche übertragen? Auf der 3DSE Leitkonferenz haben Teilnehmer die Möglichkeit andere hochrangige F&E Entscheider aus verschiedenen Hochtechnologiebranchen zu treffen, Erfahrungen auszutauschen, aktuelle Trends zu diskutieren und sich zu vernetzen.
  3. Wegweisende Impulse zu brandaktuellen Themen: Die 3DSE Leitkonferenz widmet sich in jedem Jahr einem anderen brandaktuellen, zukunftweisenden Thema aus dem Bereich „Schlüsseltrend Digitalisierung und Vernetzung in der F&E“. Hochkarätige Referenten geben in ihren Vorträgen exklusive Einblicke in die eigene Praxis im Umgang mit diesen Themen. Teilnehmer erhalten so die Gelegenheit, die Digitalisierung der F&E aus einer Vielfalt verschiedener Perspektiven zu begreifen, um daraus wegweißende Impulse für die eigene Arbeit abzuleiten.

Das Interview besteht aus drei Teilen: Smart, Flexibel, Agil. Hier geht es zur Übersichtsseite.

Weitere Informationen zu den Themen der Interviewreihe sowie spannende Vorträge und anregende Diskussionen dazu erwarten Sie auch auf der 3DSE F&E Leitkonferenz am 24. Mai in der BMW Welt in München.

CC BY-SA 4.0 DE

 
 
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